Analyse: 3 Jahre Edward Snowden – Eine Bilanz

Andreas Frischholz
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Analyse: 3 Jahre Edward Snowden – Eine Bilanz
Bild: YouTube

Einleitung

Welchen Stellenwert die NSA-Enthüllungen haben, lässt sich an einem Fakt erkennen: Oliver Stone dreht einen Spielfilm. Das Leben von Edward Snowden, das Untertauchen mit den Dokumenten, die Enthüllungen, das Ausmaß der NSA-Überwachung – es ist der perfekte Stoff für einen Polit-Thriller.

Es reicht also nicht mehr aus, Edward Snowden als reinen Whistleblower zu beschreiben. In den letzten drei Jahren hat er sich zu einem Phänomen der Popkultur gewandelt. Nun ist es nicht nur die Wahrnehmung von Snowden, die sich verändert hat. Die Enthüllung des Prism-Programms am 6. Juni 2013 lässt sich vielmehr als Lawine begreifen, die die digitale Welt überrollt hat und bis heute prägt.

Im Jahr 3 nach Snowden wird der Streit um Massenüberwachung und Privatsphäre härter geführt denn je. Verschlüsselung fristet kein Nischendasein mehr, sondern zählt zum Status Quo.

WhatsApp als überraschendes Vorbild

WhatsApp, einst als einer der unsichersten Messenger verschrien, bietet seit März standardmäßig und plattformübergreifend eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die auf dem Signal Protocol von Open Whisper Systems basiert. Es ist also die Technologie, die auch bei dem gleichnamigen Krypto-Messenger zum Einsatz kommt und der sogar von Edward Snowden empfohlen wird. Nur Sender und Empfänger können sehen, welche Nachrichten, Bilder, Videos und Dokumente übermittelt werden. Ein Zugriff von Außen ist nicht möglich, weder von WhatsApp, noch von Behörden. Selbst die amerikanischen Bürgerrechtsplattform Electronic Frontier Foundation (EFF) attestiert WhatsApp nun ein Maximum an Sicherheit. Der einzige Kritikpunkt ist noch: Der Code ist nicht Open Source und kann dementsprechend nicht von Externen überprüft werden.

EFF testet WhatsApp
EFF testet WhatsApp (Bild: EFF.org)

Nun war WhatsApp nicht der erste Messenger, der eine sichere Verschlüsselung bietet: Apples iMessage-Dienst bietet es seit Jahren, bei den plattformübergreifenden Diensten galten Threema und Telegram lange Zeit als Vorbilder in puncto Sicherheit und profitierten infolge der NSA-Enthüllungen auch von wachsenden Nutzerzahlen.

Dennoch ist der Schritt von WhatsApp bemerkenswert. Denn: Mit mehr als einer Milliarden Nutzern ist WhatsApp nach wie vor der Blauwal unter den Messengern. Daher kam auch die EFF Anfang April zu dem Fazit: „Ab dieser Woche gibt es Hunderte Millionen von Nutzern, die erstmals miteinander über eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung kommunizieren.

Dass so eine Entwicklung überhaupt möglich ist, lässt sich auch auf eine der Erkenntnisse aus der Prä-Snowden-Ära zurückführen: Ein Bewusstsein für den Wert von Verschlüsselung reicht alleine nicht aus, um die Masse der Nutzer zu erreichen. Die Technologie muss auch einfach zu bedienen sein. Daher ist auch der Clou bei dem Update von WhatsApp: Es erfolgt automatisch, die Verschlüsselung wird dann im Hintergrund eingerichtet. Für die Nutzer liegt der Aufwand also praktisch bei Null.

Dilemma: Selbstlernende KIs und die sichere Verschlüsselung

Grundsätzlich gilt auch bei den großen Internetdiensten: Ende-zu-Ende-Verschlüsselungen entsprechen dem Branchen-Trend. Nur ist der Einsatz im Alltag kompliziert. Früher galt das Credo: Internetdienste analysieren Nutzerdaten, um gezielt Werbung zu schalten. Mittlerweile sind aber vor allem die intelligenten Messenger, die als selbstlernende Systeme zu digitalen Alltagshelfern mutieren sollen – wenn es nach dem Willen der Unternehmen geht.

Zuletzt hatte etwa Google auf der Entwicklerkonferenz I/O 2016 mit Allo einen neuen Messenger vorgestellt, bei dem der Fokus auf der künstlichen Intelligenz liegt. Mit einem Chatbot als virtuellen Assistenten sollen Nutzer etwa personalisierte Antworten auf Suchanfragen erhalten. Bei Chats dient Allo derweil als Helfer, indem der Messenger automatisch Fragen und Fotos erkennt und dann Antworten vorschlägt. Der Vorteil durch die selbstlernende KI: Je mehr man den Messenger nutzt, desto präziser werden die Vorschläge. Im Kern sind es Pläne, die auch andere Branchengrößen wie etwa Facebook verfolgen.

Eines der Probleme, dass die Messenger eint: Beide sollen zwar eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung erhalten, diese ist aber nur optional und damit zunächst deaktiviert. Einen Grund für diese Entscheidung lieferte der Guardian in der letzten Woche. Demnach erklärte eine Quelle aus dem Umfeld von Facebook: Wird eine sichere Verschlüsselung standardmäßig aktiviert, steht das einigen der neuen Funktion im Weg, die für die Zukunft geplant sind. Denn die selbstlernenden KIs müssen die Inhalte der Nutzer auswerten, um präzisere Ergebnisse liefern zu können. Mit einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist das nicht möglich, weil dann der Zugang versperrt ist. Ebenso ist die Lage bei Googles Allo-Messenger, der eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nur in einem „incognito mode“ bieten wird.

Wie sehr sich nun die Standards infolge der Snowden-Enthüllungen verschoben haben, zeigt bei den Reaktionen: Wäre eine optionale Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vor wenigen Jahren zumindest noch als Fortschritt betrachtet worden, gilt es mittlerweile als ernsthafter Kritikpunkt, wenn nicht sogar als K.O.-Kriterium. „Das ist zu wenig, das kommt zu spät“, erklärt etwa Christopher Soghoian von der amerikanischen Bürgerrechtsgruppe ACLU gegenüber dem Guardian. Seine Empfehlung lautet stattdessen: Nehmt einen anderen Messenger.

25 Jahre ComputerBase!
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