Überwachung: AT&T verkauft Nutzerdaten an die US-Behörden

Andreas Frischholz
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Überwachung: AT&T verkauft Nutzerdaten an die US-Behörden
Bild: MIke Mozart | CC BY 2.0

Unter dem Codenamen „Hemisphere“ betreibt der amerikanische Provider-Riese AT&T offenbar eine Datenbank mit Telefondaten der Kunden, die US-Behörden gegen Bezahlung ausgehändigt werden. Das berichtet The Daily Beast unter Berufung auf interne AT&T-Dokumente.

Dass amerikanische Behörden bei den Providern anfragen, um Nutzerdaten zu erhalten, ist per se nichts Ungewöhnliches. Rechtlich sind diese verpflichtet, die entsprechenden Informationen auszuhändigen. Der Clou bei Hemisphere ist allerdings, dass AT&T die Behördenanfragen zu einem Geschäftsmodell weiterentwickelt hat.

Demnach müssen die Behörden zahlen, um an die Informationen zu gelangen. Dafür sind aber auch keine Gerichtsbeschlüsse nötig, allgemeine Anfragen reichen aus. Einen direkten Zugang zu der Hemisphere-Datenbank erhalten die Behörden zwar nicht, dennoch geht das Programm laut dem Bericht deutlich weiter, als es rechtlich erforderlich wäre.

Für Hemisphere-Daten sollen die Polizeibehörden zwischen 100.000 US-Dollar und mehr als 1 Millionen US-Dollar zahlen. Als Beispiel nennt Daily Beast den Harris County in Texas, zu dem auch die Metropole Houston zählt: Im Jahr 2007 zahlte die County-Verwaltung demnach 77.924 US-Dollar an AT&T, 2011 waren es bereits 940.000 US-Dollar.

Zugang mit Geheimhaltungsklausel

Hinzu kommt aber noch eine Geheimhaltungsklausel: Die Behörden dürfen Hemisphere nicht als Quelle für Beweismittel nennen, wenn ein Fall öffentlich wird. „Die Regierungsbehörde stimmt zu, die Daten nicht als Bewies in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren zu nutzen, außer es liegen keine anderen verfügbaren oder zulässigen Beweise vor“, heißt es laut Daily Beast in einem der AT&T-Dokumente.

Im Kern bedeutet das: Die Behörden sollen Hemisphere nur verwenden, um eine Spur zu erhalten. Beweise für die finale Verurteilung sollen dann möglichst anderweitig beschafft werden.

Einige Telefondaten in Hemisphere gehen bis 1987 zurück

Für die Behörden ist die Datenbank dennoch lukrativ, da es sich bei AT&T um einen Branchenriesen im amerikanischen Telekommunikationsmarkt handelt. So betreibt der Provider drei Viertel der Festnetz-Leitungen in den USA, bei der Mobilfunk-Infrastruktur liegt der Konzern hinter Verizon auf Rang 2. Zudem sammelt AT&T deutlich mehr Daten als die Konkurrenz, die Datenbank geht laut Daily Beast bis zum Jahr 2008 zurück. Verizon speichert die Telefondaten hingegen nur für ein Jahr, bei Spind sind es 18 Monate. So sammelt AT&T eine riesige Menge an Metadaten. Dazu zählen die Verbindungsdaten von Telefonaten, Text-Nachrichten oder auch Skype-Gesprächen.

Dass AT&T eine solche Datenbank betreibt, enthüllte die New York Times bereits im September 2013. In diesem Bericht wurde Hemisphere als Kooperation mit der Drug Enforcement Administration (DEA) beschrieben. Bei Ermittlungen im Anti-Drogen-Kampf wurden lokale und bundesweit agierende US-Behörden demnach mit Telefondaten unterstützt, die sogar bis in das Jahr 1987 zurückreichen. AT&T sammelt auf diese Weise sogar mehr Telefondaten, als es bei der NSA der Fall ist, lautete das Fazit der New York Times.

Bürgerrechtler zweifeln an Rechtmäßigkeit solcher „parallel construction“

Angesichts der aktuellen Enthüllungen stellt sich aber erneut die Frage, ob solch eine „parallel construction“ überhaupt rechtmäßig ist. Der zentrale Vorwurf ist: AT&T überwache für Behörden die eigenen Kunden. Adam Schwartz von der Electronic Frontier Foundation (EFF) bezeichnet Hemisphere etwa als die „weltweit größte Datenbank mit Metadaten“. Besonders heikel sei dabei, dass AT&T und Polizeibehörden das Programm heimlich betreiben. Eine öffentliche Kontrolle finde nicht statt, weder durch Gerichte, noch Abgeordnete oder Medien. „Es ist sehr beunruhigend und nicht der Weg, wie Strafverfolgungsbehörden [in den USA] arbeiten sollten“, so Schwartz.

Derweil erklärte AT&T-Sprecher gegenüber Daily Beast, der Provider halte sich an die rechtlichen Vorgaben. Wenn Behörden anfragen, sei man per Gesetz verpflichtet, die entsprechenden Daten auszuhändigen. Bürgerrechtlicher bezeichnen diese Stellungnahme aber als irreführendes Dementi: Nur weil Behörden anfragen, müsse AT&T kein Geschäftsmodell „rund um die Bedürfnisse von Strafverfolgungsbehörden“ aufbauen, sagte Christopher Soghoian von der American Civil Liberties Union (ACLU).