Kommentar: Warum Gaming on Demand wie GeForce Now die Zukunft ist

Robert Kern
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Kommentar: Warum Gaming on Demand wie GeForce Now die Zukunft ist
Bild: Nvidia
Robert Kern

Die „Größe“ von Nvidias Ankündigung auf der CES 2017, den Game-Streaming-Dienst GeForce Now für PCs und Macs anzubieten, wird noch gar nicht wahrgenommen. Ein solcher Dienst hat uns tatsächlich gerade noch gefehlt. Was für Musik, Filme und Videos völlig selbstverständlich ist, wird sich auch für Gaming etablieren.

Gaming ist ein digitaler Inhalt wie andere auch

Jen-Hsun Huang hat auf der CES 2017 die nächste Stufe für GeForce Now vorgestellt. Sie richtet sich an eine Milliarde PC-Nutzer mit integrierten Grafikeinheiten, Macs oder dünnen Notebooks, die mit ihren Geräten nicht wirklich spielen können. Denn ab März dürfen die bisher Ausgeschlossenen dann für 1,25 bis 2,50 US-Dollar pro Stunde ihre Spiele aus der Cloud streamen. Im Oktober 2015 startete der Dienst exklusiv auf den Shield-Geräten von Nvidia für 10 Euro im Monat und wird nun ausgeweitet.

Keine GeForce GTX 1080 Ti, stattdessen soll ein Abo für Cloud-Spiele auf PC und Mac die große angekündigte Sache sein? Die ersten Reaktionen auf die Meldung lautetet dann auch prompt: „Zu teuer, braucht keiner, das war jetzt der große Knaller“? Aber ich sehe das anders.

Meiner Meinung nach läutet GeForce Now eine neue Ära von Videospielen ein und ich möchte ausführlich erklären, warum.

Die Evolution des Medien-Konsums

Die Unabhängigkeit von Programmplanern ist seit Ewigkeiten ein starker Treiber der Unterhaltungsindustrie. Tonbandgeräte und Filmrollen konservierten Live-Events; VHS, Musikkassetten, CD, DVD, MP3... Egal ob Games, Filme oder Musik. Ich zähle zu den Millennials und in meiner Generation wurde der lineare Sendeplan für Entertainment kontinuierlich aufgeweicht. Dass das auch für die in diesem Segment am stärksten wachsende Industrie der Videospiele kommt, ist absolut keine Überraschung.

Man muss sich nur die Musikindustrie anschauen. Apple hat es geschafft, nicht nur einen Markt mit iTunes zu revolutionieren. Steve Jobs bescherte den iPod- und iPhone-Nutzern ein Erdbeben in Sachen On-Demand. Der MP3-Codec hat diese Form von Konsum demokratisiert, es brauchte keine Trägermedien mehr, sondern nur noch ein spezifisches Abspielgerät. Musik wurde damit dem Charakter digitaler Medien gerecht: Sie lassen sich einfach kopieren, versenden, universell einsetzen.

Die Mehrheit der Jugendlichen streamt Musik

Springen wir in das diversifizierte Angebot der Gegenwart: Heute machen Jugendliche keine Mixtapes oder Compilation-CDs mehr, sie bestücken keine Player, allenfalls Playlists, die sich andere aufs Smartphone als ultimativen Hosentaschen-Computer streamen. Musik ist ein One-Click-Inhalt, deren einziges Hemmnis mangelnde Digitalisierung oder aber Zugang zum Netz ist. Etwa 40 Prozent der Deutschen streamen Musik, in der Altersgruppe 14-29 Jahre sind es mit 55 Prozent schon mehr als die Hälfte und die Tendenz steigt.

In der modernen Mediengesellschaft sind wir laut SevenOneMedia im Schnitt 572 Minuten am Tag mit medialen Inhalten in Kontakt, mehr als 9,5 Stunden. Die Grundlegenden Trends in der Ausgestaltung dieses Konsums sind Individualität, Flexibilität, Mobilität und ganz groß: „Social“. Das Fernsehen büßt ein wenig ein an Anteil, befindet sich aber in einer Umbruchphase. Weil Neugeräte, die nicht auch Smart-TVs sind, einer aussterbenden Spezies angehören, aquiriert das Medium über den Netzzugang alle anderen wie Radio, Videospiele, Social Media.

Für Medienforscher wird es zusehends schwerer, Kanäle, Inhalte, Zielgruppen und damit auch die Budgets für Zeit und finanziellen Einsatz in Studien einzugrenzen. Wenn eine Sendung der ARD-Mediathek aufs Telefon gestreamt wird – ist das jetzt Smartphone, Internet oder Fernsehen? Alles zusammen?

Netflix tötet den Fernseher und Nvidia die Konsolen

Für Musik gilt: Wann immer, was auch immer, wo auch immer und bei vielen Diensten sogar kostenfrei, wenn die Einblendung von Werbung nicht stört. Oder man teilt sich halt ein Abo, aber CDs kaufen nur noch Babyboomer. Die MP3-Sammlungen der Generation Y wurden zu Zeiten gerippt, in denen 160 bis 500 GB auf Festplatten passten und gehören mit ihrer 128 Kbit/s-Datenrate auch in die Kategorie „Behalten wegen Nostalgiewert aber nur nach einer Flasche Rotwein drüberstolpern“.

Der Preis für gestreamte Medien wird ständig ausgehandelt zwischen Nutzern und Anbietern. Werbefreies Spotify Premium kostet monatlich 15 Euro für bis zu 6 Nutzer. Ein Witz, wenn man bedenkt, was in meiner Jugend für CDs oder Rohlinge ausgegeben wurde. Natürlich müssen eine Mobilfunk-Flatrate und DSL-Kosten eingerechnet werden, eine Zeit lang sogar der Wear-Level der SSD. Das ändert nichts am Erfolgsmodell, mit dem RTL, Sony und Microsoft schon eine Weile zu kämpfen haben.

Netflix, Amazon Prime, Sky und YouTube besetzen bei nicht wenigen schon einen Großteil der Displayzeit. Die beiden erstgenannten Streaming-Dienste lieferten im letzten Jahr in den USA schon mehr als die Hälfte der „Scripted TV Shows“ und investieren mit enormen Wachstumsraten in das eigene Programm. Für Konsumenten öffnet das eine zunehmend spürbare Qualitätsschere. Ich frage ganz gerne im Bekanntenkreis nach TV-, Streaming- und Gaming-Gewohnheiten und bekomme die bezeichnende Antwort, dass Fernsehen ja nur noch was für arme Leute sei. Das war nicht abwertend gemeint, sondern die Feststellung, dass traditionelle Medien verlieren, sobald der ganz frische Teil der werberelevanten Zielgruppe von 14-49 Jahren in ein monatliches Einkommen hineinwächst, das Musik- oder Video-Streaming erlaubt, oder aber die älteren Semester mit den Argumenten für Video on Demand überzeugt wurden.

Drei Stunden für den Abendfilm

Wer fernsieht, bezahlt in Form seiner Aufmerksamkeit für Bitburger, Flacony.de, Check24 und zahlreiche weitere Domains. Auffällig ist, dass dreiviertel aller Spots die Kunden vom Ladengeschäft ins Internet ziehen wollen. Wirklich nötig ist das nur beim älteren Teil der Zielgruppe.

Diese Zuschauer empfinden Klaas, Heidi, Klaus Kleber, Angie (oder wer auch immer sich mit einer ungefragten Botschaft dazwischen schieben möchte) aus Gewohnheit noch nicht als Störfaktor. In meiner Familie lässt sich auch ein gegenteiliges Verhaltensmuster beobachten: Die Kiste ist ein gewohnter Hort für Aufreger. Beim Zappen gibt es eine 100-prozentige Wahrscheinlichkeit für Reizthemen. „Ach das schon wieder“ ist da eines der freundlicheren Urteile.

Nutzer bezahlen auch mit ihrer Zeit. Regelmäßig verpasst man den Anfang vom 20.15-Uhr-Blockbuster, weil die Kinder nur widerwillig einschlafen wollen, und dann dauert der Film auch ohne Überlänge bis 23 Uhr. Werbeblöcke werden ja mittlerweile bis zu 9 Minuten ausgefahren, in voller Absicht vor die spannendsten Stellen gesetzt und wenn sich auch nur eine kleine Lücke im Handlungsstrang auftut, nimmt ein Programmhinweis die Hälfte des Bildschirms in Beschlag.

Ein letztes Phänomen will noch genannt werden: Fernsehen ist das neue Radio. Eben weil es angesichts der Online-Welt so viele Unbequemlichkeiten mit sich bringt, wird TV zum Nebenbei-Medium degradiert. Sehr gerne würde ich aus den Kommentaren mal erfahren, wo das der Fall ist. Bei mir selbst ist die Kiste nur noch an mit voller Aufmerksamkeit, bei bewusster Wahl der Inhalte von Streaming-Diensten oder dem Receiver-Archiv. Ansonsten bleibt sie aus weil ich alles andere tatsächlich als Junk Food für den Kopf empfinde.

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