Bundesrat: Ausweitung des Staatstrojaners bestätigt

Andreas Frischholz
108 Kommentare
Bundesrat: Ausweitung des Staatstrojaners bestätigt
Bild: Fredrik Lundh | CC BY 2.0

Viel Kritik erntete die Große Koalition, als sie die Ausweitung des Staatstrojaner-Einsatzes im Eilverfahren durch den Bundestag drückte. Nun hat der Bundesrat das Gesetz bestätigt, ohne den Vermittlungsausschuss anzurufen.

Das bedeutet: Das Gesetz wird in der aktuellen Form in Kraft treten. Formal fehlt nur noch die Unterschrift von Bundespräsident Frank Steinmeier (SPD).

Ausweitung des Staatstrojaner bleibt umstritten

Das Gesetz ist Teil einer Reform der Strafprozessordnung. Die sieht vor, dass Polizeibehörden den Staatstrojaner für die Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ) künftig auch bei Alltagsdelikten einsetzen dürfen. Die Quellen-TKÜ ist auf das reine Abhören von Kommunikation beschränkt und ist als Alternative gedacht, da das klassische Überwachen von Telefonleitungen bei verschlüsselten Messenger-Diensten wie WhatsApp nicht mehr funktioniert. Stattdessen wird über den Trojaner das, was Anwender in die Messenger einstellen, abgefangen.

Ebenfalls ausgeweitet wurde die Online-Durchsuchung, bei der mit der staatlichen Schadsoftware das komplette System eines Verdächtigen infiltriert werden kann. Im Vergleich zur Quellen-TKÜ darf diese Überwachung aber nur bei „besonders schweren“ Fällen angewendet werden.

Umstritten ist das Vorhaben nach wie vor. Juristen bezeichneten das Gesetz bei der Anhörung im Bundestag als verfassungswidrig, weil es sich um einen Eingriff in das Grundrecht auf informelle Selbstbestimmung handelt, der nicht mit den Auflagen des Bundesverfassungsgerichts übereinstimmt. Kritisiert wird zudem auf der technischen Ebene, dass Behörden für den Trojaner-Einsatz Sicherheitslücken ausnutzen müssen, die auch für Kriminelle offen stehen. IT-Sicherheitsexperten wie der Chaos Computer Club (CCC) bemängeln zudem noch, dass der Einsatz der Schadsoftware nicht ausreichend kontrolliert werde.

Der federführende Rechtsausschuss im Bundesrat hat die Vorwürfe nicht thematisiert. Wie Netzpolitik.org berichtete, forderte lediglich der Ausschuss für Verbraucherschutz einen Vermittlungsausschuss. Die Gründe: Neben dem parlamentarisch fragwürdigen Hauruck-Verfahren im Bundestag sind es die Konsequenzen für die IT-Sicherheit sowie der Grundrechtseingriff durch die massive Ausweitung des Staatstrojaner-Einsatzes.

Ob das Gesetz aber tatsächlich mit dem Grundgesetz kollidiert, wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen. Klagen wurden bereits angekündigt.

Ebenfalls beschlossen: Vorratsdaten bei Wohnungseinbrüchen

Ebenso hat der Bundesrat bestätigt, dass Polizeibehörden künftig bei Wohnungseinbrüchen auch Vorratsdaten und die Funkzellenaufklärung nutzen dürfen. Das pikante an dem Gesetz ist allerdings: Der Bundestag hat die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung am 29. Juni beschlossen – also einen Tag, nachdem die Bundesnetzagentur entschieden hat, dass Provider die Vorratsdatenspeicherung vorerst nicht umsetzen müssen, bis Gerichte eine finales Urteil gefällt haben. Und praktisch alle Provider haben angekündigt, vorerst auf die Datensammlung zu verzichten.