Der Tod des Season Pass: Nachfolger kostenlose Erweiterung in der Kritik

Max Doll
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Der Tod des Season Pass: Nachfolger kostenlose Erweiterung in der Kritik

Nachdem eine Anzahl populärer Ego-Shooter zugunsten von Mikrotransaktionen auf kostenpflichtige DLCs verzichtet, ist der Tod des Season Pass ausgerufen worden. Dessen Ableben soll allerdings mit weniger Inhalten und weniger Gegenwert für Spieler einhergehen – eine Theorie, die nicht in Gänze haltbar ist.

Die Zukunft sieht düster aus – oder?

An die Wand gemalt wird das Szenario von VG247: Abzusehen sei ein Trend weg von DLCs und Season Pass hin zu kostenlosen Inhalten und Mikrotransaktionen. Dies wird – auf den ersten Blick paradox – als potentiell nachteilig für Spieler betrachtet. Der Grund dafür wird nicht in intransparenten Kostenstrukturen, zunehmenden Übergriffen auf das Gameplay im Stile von Free-to-Play-Systemen und effektiv horrenden Preisen für quasi keinen Inhalt ausgemacht, sondern in der geringeren Anzahl kostenloser Karten, Waffen und Charaktere.

Free heißt weniger

Die These lautet im Kern also: Bei Modellen, die Spieler für diese Inhalte nicht direkt monetär belasten, erhalten sie auch weniger davon. Spiele mit Season-Pass wie Battlefield 1 (Test) würden vier Karten pro DLC zu 15 Euro in Abständen von drei bis vier Monaten erhalten. Das ebenfalls von EA herausgegebene Titanfall 2 (Test), für das neue Inhalte kostenfrei angeboten werden, habe nur vier Karten in acht Monaten bekommen, von denen drei aus dem Vorgänger bekannt sind. Schlechte Verkaufszahlen würden das nicht erklären, so die Analyse: Titanfall 1 hingegen ist per Season Pass, so VG247, wiederum mit neun Karten in drei Monaten ausgestattet worden.

Für das kommende Star Wars: Battlefront 2 wird auf dieser Datenlage ebenfalls bezweifelt, dass trotz aggressiver Umsetzung von Mikrotransaktionen die gleiche Anzahl an Zusatzinhalten zur Verfügung gestellt werden kann. Dies sei mit Lootboxen alleine nicht möglich; spekuliert wird, dass lediglich der Umfang eines DLCs über einen größeren Zeitraum veröffentlicht würde.

Genug Geld wäre da

Diese Annahme ist bei genauerem Hinsehen wenig fundiert, wie Activision zeigt. Call of Duty wird gleich doppelt monetarisiert, die Serie generiert mit vielen Mikrotransaktionen und einem Season Pass zusätzliche Einkünfte. Entscheidend daran: Laut Quartalsbilanzen generieren die Kleinverkäufe mehr Umsatz als der Verkauf des Season Pass und der DLCs kombiniert. Das legt nahe, dass nicht die Kosten gegen Umsätze gerechnet entscheidend sind, sondern die Kosten als solche. Käufer erwarten bei einem DLC ein Mindestmaß an Umfang, bei Gratis-Inhalten überwiegt die Freude über kostenloses.

Die wahrscheinliche Folge ist vielmehr, dass Publisher aus Kostengründen so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig an Zusatzinhalten zur Verfügung stellen. Die Menge braucht lediglich ausreichend sein, um das Interesse am Spiel und die Chance auf weitere Mikrotransaktionsgeschäfte am Leben zu halten.

Es gibt allerdings auch Spiele, die dem von VG247 ausgemachten Trend widersprechen. Die Seite übersieht etwa Halo 5: Guardians (Test), das trotz Verzicht auf einen Season Pass tatsächlich mehr Inhalte als seine Vorgänger erhalten hat. Das Argument „Kosten“ steht auch sonst auf tönernen Füßen: Da Mods und Karten fast nie durch die Community erstellt werden können, muss der Publisher selbst in den Erhalt seines Spiels investieren. Mod-Tools produzieren hingegen eine riesige Fülle an Karten und Inhalten – die Idee eines Spiels als abgeschlossenes System ist insofern der Kern des Problems.

Die Qualität fällt bereits

Der Vorverkauf eines Season Pass zwingt Publisher dazu, das Geld in diese Inhalte zu investieren, weshalb sie erstellt werden“, heißt es weiter. Das ist eine durchaus problematische Aussage, denn das Geld muss nicht in viele gute Erweiterungen gesteckt werden, sondern nur in einen mehr oder weniger akzeptablen Gegenwert – es zwingt die Publisher nicht, Qualität zu liefern. Auch wenn VG247 fast ausschließlich auf Quantität abzielt, kann die qualitative Dimension nicht ignoriert werden, wenn man wie die Seite beurteilen möchte, ob sich Spieler potentiell an Zeiten von Season-Pass-Systemen zurücksehnen werden.

Zwar „hört man über schlecht aufgenommene DLCs [...] aber nie über einen DLC, den die Community geschlossen gehasst hat“: Diese Aussage ist zwar im Allgemeinen richtig, beschreibt aber nur den Season-Pass-Standardfall. Viele DLCs sind nicht länger herausragende Erweiterungen, sondern im So-La-La-Land angesiedelt. Die Fallout-Serie hat, was die Qualität der Erweiterungen angeht, nach Fallout: New Vegas abgebaut, den Preis aber in die Höhe getrieben, die Rezeption fällt zwar nicht schlecht, aber eben auch nur durchschnittlich aus. Erweiterungen brauchen nur gut genug zu sein, um einen Sturm der Entrüstung zu vermeiden.

Mehr als nur Knochen gefordert

Als einziges Spiel, das ausreichend kostenlose Erweiterungen erhält, wird Blizzards Overwatch (Test) benannt. Ubisoft-Titel wie Rainbow Six Siege (Test) würden zwar auch stark ausgebaut, die spielerisch wesentlichen Operatoren aber praktisch für die meisten Nutzer hinter einer Paywall verstecken. AAA-Mehrspieler-Titel müssen deshalb Spielern „mehr als nur einen Knochen hinwerfen“, wenn sie einen echten Übergang zu „einem System mit kostenlosen Post-Launch-Inhalten“ erfolgreich bewältigen wollen. Ansonsten würden Nutzer, so das Fazit, lediglich „in Erinnerungen an die gute alte Zeit der Season-Pässe schwelgen“. Die allerdings ist, wie sich einfach zeigen lässt, mit Blick auf die Qualität in Teilen ebenso schlecht wie die projizierte Zukunft.