Schleswig-Holstein: Landtag stimmt fast einstimmig gegen Artikel 13

Michael Schäfer
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Schleswig-Holstein: Landtag stimmt fast einstimmig gegen Artikel 13
Bild: Landtag Schleswig Holstein

Die Proteste gegen die von CDU/CSU vorangetriebene Urheberrechtsreform im EU-Parlament zeigen weiterhin Erfolg. Nun bekommt das Vorhaben sogar Gegenwind aus den eigenen Reihen: In Schleswig-Holstein hat sich die Jamaika-Koalition in einer Abstimmung (PDF) einstimmig gegen die Reform in Verbindung mit Artikel 13 ausgesprochen.

Beschluss mit einer Gegenstimme verabschiedet

Gleiches gilt für die SPD und die SSW. Die einzige Gegenstimme kam von der Landtagsabgeordneten Doris von Sayn-Wittgenstein (AfD), der Rest ihrer Partei schloss sich dem von CDU, Grünen und FDP initiierten Antrag an. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, sieht es positiv „dass sich Jamaika in Schleswig-Holstein einmal mehr digitalpolitisch durchaus progressiv aufstellt und damit hoffentlich auch die internen Diskussion bei der Union im Vorfeld der so wichtigen Abstimmung im Europäischen Parlament noch beeinflussen kann‟. In einem Blog-Beitrag übte er zudem deutliche Kritik Richtung Brüssel in Bezug auf die in Artikel 13 geforderten Maßnahmen zur Prüfung von hochgeladenen Inhalten: „Nahezu satirisch waren diesbezüglich Hinweise europäischer Beamt*innen, dass das nicht zwangsläufig Upload-Filter beinhalten müsse, eine händische Filterung wäre ebenso denkbar. ‟.

Für ihn besteht weiterhin die Gefahr, dass die Tätigkeiten zur Prüfung von Filtern übernommen werden, welche „denknotwendig nicht zwischen Satire, Bildungsinhalten oder wissenschaftlichem Content unterscheiden können und im Zweifel alles über einen Kamm scheren‟.

Reform ja, Filter nein

Der Landtag steht laut der Abstimmung zwar nach wie vor hinter einem zeitgemäßen und effektiven Schutz der Urheber, lehnt eine Kontrolle nutzergenerierter Inhalte durch Filter jedoch strikt ab. In der verabschiedeten Resolution könnte vor allem Artikel 13 laut den Abgeordneten „das Risiko einer automatisierten Zensur im Internet beinhalten und eine unverhältnismäßige Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit zur Folge habe‟. Gleichzeitig sehen sie auch die Digitalisierung in Deutschland und Europa gefährdet, was negative Konsequenzen für Unternehmen sowie Start-Ups oder digitale Innovationen haben könnte. Darüber hinaus bedauern die Abgeordneten in dem Beschluss den Mitte Februar zwischen den EU-Gremien ausgehandelten Kompromiss bei der Urheberrechtsreform. Die Mitglieder des Landtages richteten zudem den deutlichen Appell an das EU-Parlament, die Entscheidung zur Reform gut abzuwägen.

Proteste als Ausgangspunkt

Diese Umkehr dürfte nicht zuletzt den vielen Protesten der letzten Tage zuzurechnen sein, mit welchen sich der Druck vor allem auf die CDU/CSU erhöht hat. Dazu beigetragen haben dürfte aber auch das Vorgehen von Manfred Weber, Fraktionsvorsitzender der CDU und CSU im Europaparlament, welcher bereits am vergangenen Montag die Abstimmung im Europaparlament auf dem 12. März 2019 und damit vor die für den 23. März 2019 europaweit geplanten Demonstrationen per Antrag vorzuverlegen versuchte. Zwar gab Weber gegenüber der ARD an, dass die Abstimmung wie geplant Ende März stattfinden würde, der Antrag wurde aber von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) nicht zurückgezogen. So wurde am vergangenen Mittwoch am Ende doch über eine Vorverlegung abgestimmt, welche aber aufgrund der fehlenden Unterstützung der anderen Parteien krachend scheiterte. Die Empörung der Kritiker ließ nicht lange auf sich warten, bei der Weber infolge der Aktion als Lügner bezeichnet wurde.

CDU/CSU hätte mit Folgen zu kämpfen

Nicht zuletzt aufgrund dieser Geschehnisse wächst weiterhin der Druck auf die CDU/CSU, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass Weber seit geraumer Zeit als Nachfolger von Jean-Claude Juncker als Präsident der Europäischen Kommission gehandelt wird. Aber auch in den eigenen Reihen wächst die Kritik am Vorgehen der europäischen Abgeordneten, welche sich vor allem um die anstehenden Landtagswahlen Gedanken machen. Aber auch Politiker der jüngeren Generation sehen den Ruf der CDU und ihrer Schwesterpartei in Gefahr. So befürchtet die Berliner Politikerin Jenna Behrends, dass ihre Partei durch das Verhalten rund um Artikel 13 für eine ganze Generation lange Zeit unwählbar bleiben wird.

Aber auch die EU-Abgeordneten bekommen mehr und mehr den Unmut der Gegner der Reform zu spüren. So wird von diesen immer wieder berichtet, dass sie in den vergangenen Tagen tausende von E-Mails vor allem zu Artikel 13 erhalten haben, gleichzeitig würden ihre Telefone seit Aufkommen der Proteste nicht mehr still stehen. Gegenüber dem YouTuber Rezo ja lol ey soll ein Abgeordneter sogar angegeben haben, dass dieser über 20.000 E-Mails von Kritikern zur geplanten Reform erhalten habe. Rezo gab zudem an, dass die Teams der Abgeordneten, welche die Telefonate meistens führten, sich trotz der gereizten Stimmung den Anrufern gegenüber freundlich und aufmerksam verhielten.

Artikel 12 bisher unbeachtet

Die anhaltenden Proteste dürften zudem dafür gesorgt haben, dass die Diskussion rund um die neue Urheberrechtsreform weiter ihren Weg in die Medien findet. Dies hat zur Folge, dass neben dem Artikel 11 und 13 nun auch Artikel 12 mehr und mehr in den Fokus der Kritiker rückt, mit welchem unter anderem das bereits in mehreren europäischen Ländern gescheiterte Leistungsschutzrecht auf europäischer Ebene eingeführt werden soll. Gleichzeitig beharren Verleger darauf, dass im Zuge der Reform auch deren Beteiligung an Ausschüttungen an die Urheber wieder eingeführt wird – eine Praxis, welche der Bundesgerichtshof bereits 2016 als rechtswidrig eingestuft hatte. Eine erneute Einführung hätte für Urheber drastische Konsequenzen: So würden die Verwertungsgesellschaften wie VG Wort oder GEMA von den Ausschüttungen an die Autoren einen Teil (zuletzt bis zu 40 Prozent) wieder direkt an die Verleger abführen. Die Aussage der Initiatoren der Reform, dass sich diese auch positiv auf die Erzeuger von Inhalten auswirken würde, gerät damit zu einem Lippenbekenntnis.