Android: Google will Rekordstrafe der EU in Anhörung abwenden

Michael Schäfer
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Android: Google will Rekordstrafe der EU in Anhörung abwenden
Bild: dassel | CC0 1.0

Am Montag hat in Luxemburg die mündliche Anhörung begonnen, in der Google beziehungsweise der Mutterkonzern Alphabet versuchen wird, die von der EU verhängte Rekordstrafe von 4,34 Milliarden Euro bezüglich der Marktmacht von Android noch abzuwenden. Der Ausgang ist Ungewiss und wird die Parteien noch längere Zeit beschäftigen.

Google soll Android-Dominanz ausnutzen

Die EU in Form von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager sah es 2018 als erwiesen an, dass Google mit seinem mobilen Betriebssystem seit 2011 versucht, die Konkurrenz auszubremsen und seine Dominanz bei der allgemeinen Internetsuche zu festigen. Für Google ist Android dagegen weit davon entfernt, Konkurrenten zu behindern, der Suchmaschinenbetreiber sieht das System viel mehr als Erfolgsgeschichte des Wettbewerbs an. Daher unternimmt Google nun einen weiteren Versuch, die damals verhängte Strafe von 4,34 Milliarden Euro (5,1 Milliarden US-Dollar) in einer für fünf Tage angesetzten Anhörung vor einem Gremium von fünf Richtern aufheben zu lassen. Sollte die Kommission das Urteil bestätigen, würde die Gesamtsumme aus den Kartellstrafen der letzten zehn Jahren, welche von der EU gegen Google verhängt wurden, auf über 8 Milliarden Euro anwachsen.

Google sieht Apple als Konkurrenten

Als Hauptkritik bringt Google an, dass bei den Gründen, die zur Verhängung der Strafe führten, der Konkurrent Apple ignoriert worden sei: „Die Kommission hat die Augen vor der wahren Wettbewerbsdynamik in dieser Branche verschlossen, nämlich der zwischen Apple und Android“, so Meredith Pickford, Anwalt von Google in dem Verfahren. Pickford beklagt zudem eine viel zu enge Definition der Märkte und die Verharmlosung des starken Einflusses, der von Apple ausgehe, was zuletzt zu der Annahme der Kommission geführt haben soll, dass Android eine marktbeherrschende Position innehabe. Eine ähnliche Aussage hatte bereits Google-CEO Sundar Pichai kurz nach der damaligen Verhängung der Strafe in einem Blog-Eintrag verlauten lassen. Auch er war der Auffassung, dass Android den Wettbewerb nicht verhindert, sondern sogar gefördert habe.

Die Kommission sieht dies jedoch anders

Aufgrund der geringen Marktanteile von Apple im mobilen Bereich und der gleichzeitigen Dominanz von Android, mit dem rund 80 Prozent aller Smartphones weltweit betrieben werden, will das zweithöchste Gericht Europas vertreten durch den Anwalt Nicholas Khan in dem iPhone-Hersteller jedoch keinen wirklichen Konkurrenten sehen: „Wenn man Apple ins Spiel bringt, ändert das nicht viel. Google und Apple verfolgen unterschiedliche Modelle“, so Khan. Als Beleg für seine Äußerung führte er Googles Vereinbarungen an, welche die Telefonhersteller dazu zwangen, die Google-Suche, den Chrome-Browser und Google Play als App-Store auf Android-Geräten vorzuinstallieren. Die Zahlungen an jene Hersteller für die alleinige Vorinstallation der Google-Suche ist für Khan ein weiteres Zeichen dafür, dass Google keinen Wettbewerb zulassen will. Die daraus entstehende Marktdominanz sieht der Anwalt zudem als große Hürde für die Konkurrenz. Dieses Vorgehen wurde Google bereits von der EU untersagt. Fortan darf das Unternehmen Herstellern keine finanziellen Anreize mehr dafür geben, damit Nutzer nach dem Kauf ausschließlich die Google-Suche auf ihrem Smartphone oder Tablet vorfinden.

Verschiedene Organisationen schließen sich dem Verfahren an

Auch von FairSearch, deren Beschwerde 2013 das Verfahren gegen Google erst ins Rollen brachte, kommt deutliche Kritik. Bei der Gruppierung handelt es sich um einen Zusammenschluss von Organisationen, die sich gegen die Marktdominanz von Google bei der Online-Suche und gegen die damit verbundenen Praktiken einsetzen. Die Allianz wird von Führungskräften von Oracle und des südafrikanischen Medienkonzerns Naspers kontrolliert. Viele der weiteren Mitglieder sind gleichzeitig Google-Konkurrenten. Für die Organisation wendet Google eine „klassische Lockvogeltaktik“ an, indem es Telefonherstellern „ein angeblich freies und quelloffenes Betriebssystem aufdrängt, das von seinem Suchmonopol subventioniert wird, nur um dieses System durch die in diesem Fall in Rede stehenden Beschränkungen für den Wettbewerb zu sperren“, so der Anwalt Thomas Vinje in der Anhörung. Gegen die kritisierte Praxis von Google gehen unter anderem ebenfalls der europäische Dachverband der Verbraucherschutzorganisationen BEUC sowie die deutschen Verlegerverbände BDZV und VDZ vor.

Zuspruch von Herstellern

Google besitzt jedoch auch Fürsprecher: So führt der deutsche Telefonhersteller Gigaset Communications an, dass sein Erfolg als Smartphone-Hersteller vor allem auf Android als freie mobile Plattform zurückzuführen sei. Gleichzeitig beklagte das Unternehmen die durch die Strafe entstehenden negativen Auswirkungen auf das damit noch schwieriger werdende Geschäft. „Die Lizenzgebühr für den Play Store, die Google nun aufgrund der angefochtenen Entscheidung erhebt, macht einen erheblichen Teil des Preises der Gigaset-Smartphones aus, die sich an preissensible Verbraucher richten“, lässt Gigaset Communications über den Anwalt Jean-François Bellis wissen.

Ende noch nicht in Sicht

Ob sich das EU-Gericht jedoch von den Argumenten umstimmen lassen wird, ist fraglich. Bis zu einem Abschluss des Verfahrens wird aber noch einige Zeit ins Land ziehen, mit einem Urteil ist nicht vor nächstem Jahr zu rechnen. Das damit nicht das Ende der Auseinandersetzung erreicht ist, sollte jedoch bereits jetzt klar sein – es ist davon auszugehen, dass eine der beiden Parteien nach einem Urteil Berufung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen wird.

Darüber hinaus ist es nicht die einzige derzeit geführte Auseinandersetzung zwischen der EU-Kommission und Google: In rund sechs Wochen soll eine endgültige Entscheidung zu einer Strafzahlung von 2,42 Milliarden Euro aus dem Jahr 2017 fallen, bei der Google vorgeworfen wird, den eigenen Shopping-Vergleichsdienst gegenüber anderen Anbietern bevorzugt zu haben.