Windows 7 und die Release-Gerüchte

Thomas Hübner
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Im Internet machen derzeit neue Gerüchte um den geplanten Veröffentlichungszeitraum von Windows 7, dem Nachfolger des aktuellen Windows Vista, die Runde. Diese widersprechen jedoch allem, was Microsoft aus der Vista-Entwicklung lernen wollte.

Es ist schon kurios - angeblich soll eine simple E-Mail ausgereicht haben, um den Verantwortlichen bei Microsoft eine Aussage zum aktuellen Entwickungsstand und der noch verbliebenen Entwicklungszeit von Windows 7 (ehemals Codename Vienna) zu entlocken. So angeblich geschehen gegenüber der (eher unbekannten) Webseite Winvistaclub.com. Auf die Frage „What is the expected timeline for the availability of Windows 7?“ (sinngemäß „In welchem Zeitrahmen wird mit der Verfügbarkeit von Windows 7 gerechnet?“) kam nicht die branchenweit übliche Antwort „Wir kommentieren keine Gerüchte zu unangekündigten Produkten“, sondern etwas überraschend Konkretes.

„We are currently in the planning stages for Windows 7 and expect it will take approximately 3 years to develop. The specific release date will be determined once the company meets its quality bar for release.“

Microsoft (angeblich)

Übersetzt gab Microsoft zu verstehen, dass man sich aktuell in der Planungsphase von Windows 7 befinde, die Entwicklung etwa drei Jahre in Anspruch nehmen werde und ein Veröffentlichungstermin erst festgelegt wird, wenn die Qualitätsanforderungen an das Produkt erfüllt seien.

Das größte Problem dieser Meldung: Alle Kollegen im Internet – groß wie klein – nehmen diese Aussage zum Anlass, um mit einer Veröffentlichung von Windows 7 nicht mehr Ende 2009, sondern 2011 bis 2012 zu rechnen. Diese Rechnung ist jedoch höchst fragwürdig:

  • Microsoft hat nach der Fertigstellung von Windows Vista offiziell zu Protokoll gegeben, dass man nie wieder zwischen zwei Betriebssystem-Versionen eine so lange Pause wie bei Win XP und Vista einlegen wird. Windows XP (Codename Whistler) wurde am 25. Oktober 2001 fertiggestellt. Bei Vista erfolgte die Freigabe (für Unternehmenskunden) am 30. November 2006, knapp fünf Jahre nach XP. Sollte Windows 7 wirklich erst 2011/2012 erscheinen, würde man sein eigenes Ziel verfehlen.

  • Die Entwicklung von Windows 7, ehemals Codename Vienna, ehemals Codename Blackcomb begann je nach Interpretation bereits vor der Fertigstellung von Vista. Der Codename Blackcomb steht bereits seit sehr langer Zeit für das Major-Betriebssystem-Update nach Windows XP. Eine erste Testversion wurde im Jahr 2000 veröffentlicht. Erst später wurde entschieden, dass zwischen Whistler und Blackcomb mit Vista noch ein weiteres Betriebssystem erscheinen müsse, um Zeit zu gewinnen (weitere Meldungen). Die Ideensammlung für Blackcomb/Vienna/Win 7 geht bereits sehr weit zurück. Es ist äußert zweifelhaft, dass sich Microsoft nach so langer Zeit noch immer in der Planungsphase (=Papier produzieren) befindet. Selbst, wenn man Blackcomb außen vorlässt, dann haben bei Microsoft – wie bei jeder Betriebssystementwicklung der Vergangenheit – mit der Fertigstellung eines Produkts die Arbeiten am Nachfolger begonnen. Demnach hätte Windows 7 bereits ein Jahr der Planung hinter sich. Es verbleiben zwei Jahre, die eine Fertigstellung für Ende 2009 realistisch erscheinen ließen. 2008 stünde im Zeichen der Milestone-Releases, Anfang 2009 könnte mit Beta-Releases begonnen werden.

  • Der neue Chef der Windows-Entwicklung, Steven Sinofsky, ist ein Freund von einem regelmäßigen Produktzyklus und vertritt die Position „Es gibt immer eine neue Version“ – es gibt also keinen Grund zu versuchen, mit Windows 7 die Welt auf den Kopf zu stellen und nach Windows Vista noch einmal fünf/sechs Jahre in eine Betriebssystementwicklung zu stecken.

  • Warum sollte Microsoft derart geheime Informationen auf eine simple Frage herausgeben? Das widerspricht sämtlichen Vorschriften bei Anfragen zu unangekündigten Produkten.

  • Es machen bereits Gerüchte die Runde, wonach DirectX 11 (sehr wahrscheinlich eine Komponente von Windows 7) Ende 2008/Anfang 2009 zur Verfügung stehen könnte. Ein 2011/2012-Release von Vienna könnte den „Fortschritt“ im Bereich des Hardware-Support für echtes Multithreading, wie sie bei den 8-Core-Prozessoren von Intel Nehalem und folgend nötig wären, deutlich verzögern.

Fazit: Windows 7 kommt – und das ganz sicher nicht erst 2011/2012. Alles andere ist aus meiner persönlichen Sicht äußerst unwahrscheinlich. Es wäre nicht verwunderlich, wenn bei Microsoft in Kürze offizielle Dementi folgen – möglicherweise ist es auch genau das, was man mit diesem angeblichen Zitat erreichen wollte.