Operation Flashpoint: Dragon Rising im Test: Mehr Shooter als Simulation

 2/5
Sasan Abdi
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Inhaltliches

Plot

Prinzipiell weiß die Handlung von „Dragon Rising“ mit einer authentischen Ausgangssituation zu überzeugen: Im Jahr 2011 droht die Führung der Volksrepublik China über die Folgen einer Wirtschaftskrise zu stürzen. Im Besonderen wird das Reich der Mitte von einer notorischen Ölknappheit destabilisiert. Um dem Problem Herr zu werden, lassen die Machthaber in Peking eine fiktive russische Insel im Japanischen Meer erobern, auf der große Ölvorkommen vermutet werden. Klar, dass sich das die Russen und ihre neuen Alliierten, die USA, nicht gefallen lassen können. In Sachen Rollenverteilung sind die herkömmlichen „Gut“- und „Böse“-Seiten also erwartungsgemäß konventionell besetzt worden.

Was sich dann innerhalb von elf Missionen entspinnt, kann ohne Weiteres als das 0815 des Genres beschrieben werden. Selbstredend gilt es als Gruppenführer in persona von zwei US-Marines, den hinterhältigen Aggressor Stück für Stück von der Insel zu vertreiben. Der Ablauf dessen ohne Überraschungen wäre allerdings insofern zu verzeihen, wenn dafür eine angemessene Inszenierung für Tiefgang sorgen würde, denn auch ein Videospiel lebt ähnlich wie ein guter Film oder Roman von der Einführung interessanter, glaubwürdiger Charaktere.

In dieser Hinsicht hat es sich Codemasters allerdings sehr leicht gemacht: Die Personen in „Dragon Rising“ bleiben allesamt farblos und erhalten keinerlei Hintergründe; man erfährt überhaupt nichts. Und auch weitere Atmosphäre stiftende Instrumente wie dezent gesetzte Musik und den Inhalt verbindende Videosequenzen sucht man während der zehn Stunden Spielzeit, die auch durch den Schwierigkeitsgrad bedingt wird, vergeblich. Besonders das Fehlen von Letzteren macht sich auf Dauer schmerzlich bemerkbar – unverständlich, warum die Macher den Spieler bis zur letzten Sekunde warten lassen, um ihm dann eine einzige Bewegtbildsequenz zu präsentieren.

Und so kommt es, dass „Dragon Rising“ unterm Strich inhaltlich nur von den insgesamt gelungenen Kampfsituationen lebt. Spätestens dann, wenn ein Hügel überquert wurde und die ersten Schüsse im Kampf um ein strategisch wichtiges Dorf fallen, entpuppt sich die Szenerie doch noch als packend. Zwischen solchen Glanzmomenten muss man sich aufgrund der mangelhaften Inszenierung jedoch mit einiger Sterilität abfinden. Schade, dass in dieser Hinsicht soviel Potential verschenkt wird.

Missionsdesign

Die fade Inszenierung wird inhaltlich durch ein insgesamt gelungenes Missionsdesign ausgeglichen, obwohl auch die Einsätze deutlich schmaler ausfallen als im ersten Teil oder in Arma 2. Außerdem funktioniert „Dragon Rising“ nur bedingt als echte Open World. Zwar bestehen eher selten Zeitlimits, die einem verbieten würden, die riesige Insel bis ins Detail zu erforschen; dafür muss man sich in der Regel strikt an eine bestimmte Reihenfolge halten, um schlussendlich ans Ziel zu gelangen.

Aber immerhin: Die besagte Linearität funktioniert anders als der dafür dynamischere Ablauf in „Arma 2“ weitgehend fehlerfrei. Während der Konkurrenz-Titel in der Grundversion aufgrund von zahlreichen Scriptfehlern kaum spielbar ist, braucht man sich bei „Dragon Rising“ über keine gröberen Schnitzer zu ärgern. Die einzige Anfälligkeit, die im Rahmen dieses Tests festgestellt werden konnte, bezieht sich auf die Zuverlässigkeit, mit der Speicherpunkte vom System registriert werden. Wer nicht einigermaßen exakt dem überraschend dynamischen und soliden Wegepunktesystem folgt, wird sich spätestens beim nächsten Laden über die selten vorkommenden Speicherpunkte wundern – eine Verwunderung, die umso größer ist, wenn sich beim nächsten Spielen des Abschnitts herausstellt, dass an einer bestimmten Hütte, die man eben noch links liegen gelassen hatte, sehr wohl gespeichert wird. Auch in dieser Hinsicht erweist sich „Dragon Rising“ als eher unechtes Open World Spiel, da der Spieler indirekt in ein Korsett gezwungen wird, das so gar nicht zu dem Genre passen will. In der „Hardcore“-Variante wird dies jedoch aufgehoben, da hier auf jegliche Hilfsmittel und auch auf die Speicherpunkte verzichtet wird, was in Zusammenhang mit vielen Todesfällen gerade Einsteiger schnell frustrieren dürfte.

Eine Eindrücke aus den Missionen

Trotz dieser Einschränkungen gelingt es den Machern, innerhalb der Missionen eine in der Summe hervorragende Atmosphäre zu schaffen, die die Mängel im Plot und der größeren Inszenierung zumindest temporär vergessen macht. Dies liegt auch an der gelungenen Zweiteilung, die im Wechsel Eindrücke von verschiedenen Seiten des Krieges liefert. Während man mit dem US-Marine Lt. Mulholland Aktivitäten hinter den feindlichen Linien durchführt, ist man als Sergeant Hunter an der Hauptfront zugange. Diese wechselnde Sicht geht löblicherweise auch mit entsprechend konzipierten, unterschiedlich gestalteten Aufgaben einher. So erlebt man mit Hunter eher rabiaten Dienst nach Vorschrift und sorgt mit Vorstößen an der Frontlinie und dem Ausschalten von gegnerischen MG-Nestern, Luftabwehrgeschützen und Panzern für ein zügiges Vorankommen der eigenen Truppen, während man mit Mulholland sensible Nachteinsätze durchführt, bei denen ein Generator oder eine Funkanlage gesprengt oder ein gegnerischer General observiert werden muss.

Innerhalb der Missionen gestaltet sich „Dragon Rising“ somit als überraschend packend und wohl durchdacht. Ein wichtiger Punkt, der manch andere Schwäche vergessen macht und damit das Fazit rettet.