NSA-Spionage: Kanzleramt darf NSA-Suchbegriffe doch freigeben

Andreas Frischholz
34 Kommentare
NSA-Spionage: Kanzleramt darf NSA-Suchbegriffe doch freigeben
Bild: Oliver Ponsold | CC BY 2.0

Das Kanzleramt verweigert dem NSA-Ausschuss seit Monaten einen Einblick in die Liste mit den Suchbegriffen, die die NSA an den BND übermittelt hat. Der Grund: Ansonsten drohe Ärger mit der US-Regierung. Doch ein Mitarbeiter von US-Präsident Barack Obama widerspricht nun dieser Darstellung, berichtet die Zeit.

Demnach erklärte der namentlich nicht genannte Vertreter der US-Regierung, dass das Weiße Haus zwar Bedenken geäußert habe. Aber Letztlich sei die Entscheidung der Bundesregierung überlassen worden. Zudem sei es eine „absolute Mär“, dass die US-Regierung die Kooperation von deutschen und amerikanischen Geheimdiensten einschränken wolle, sollte die Liste mit den NSA-Suchbegriffen den parlamentarischen Kontrollgremien vorgelegt werden.

Das ist ein deutlicher Widerspruch zu den Aussagen des Kanzleramts, das die Blockadehaltung vor allem mit zwei Argumenten begründet hat: Ohne Zustimmung der US-Regierung wäre die Freigabe der Liste ein Verstoß gegen das Völkerrecht – und mit einem O.K. der US-Regierung sei nicht zu rechnen. Zudem würden die US-Dienste die Zusammenarbeit mit den deutschen Geheimdiensten auf ein Minimum reduzieren, wenn das Kanzleramt gegen den – vermeintlichen – Willen der US-Regierung handelt. Daher wurde auch ein Sonderermittler eingesetzt, der anstelle der parlamentarischen Kontrollgremien prüfen soll, welche Ziele der BND für die NSA ausspioniert hat.

Selbst wenn die Konsequenzen laut dem Zeit-Bericht bei weitem nicht so drastisch sind, wie es von Vertretern der Bundesregierung und der deutschen Geheimdienste dargestellt wird: Ein Stück weit scheinen die US-Dienste doch verärgert zu sein, dass in den letzten Monaten mehrere als geheim klassifizierte Dokumente an die Öffentlichkeit gelangt sind. So zitiert die Zeit einen Berater von Obama mit den Worten: „Könnten wir davon ausgehen, dass alles, was geheim bleiben soll, auch geheim bleibt, dann hätten wir weniger Bedenken.“ Denn die Erfahrung habe gezeigt, dass in Deutschland „am nächsten Tag alles in der Zeitung steht“.

Es droht ein „handfester Skandal“

Es sind aber vor allem die Vertreter der Opposition, die nun ziemlich verärgert reagieren. Konstantin von Notz, der für die Grünen im NSA-Ausschuss sitzt, spricht laut Zeit Online von einem „handfesten Skandal“, sollte sich der Bericht bestätigen. Das wäre dann ein weiterer „in einer ganzen Reihe von Ungeheuerlichkeiten, die sich die Bundesregierung in der Affäre bis heute erlaubt hat“. Problematisch ist allerdings, dass der Bericht noch offiziell bestätigt werden muss. „Die Behauptung der Regierung, dass die Offenlegung der Liste von den USA abhängt, ist für uns kaum überprüfbar“, sagt Martin Renner, Linke-Abgeordnete und ebenfalls Mitglied im NSA-Ausschuss. Daher müsse die Bundesregierung nun zumindest die Kommunikation mit den US-Diensten offenlegen, um entsprechende Vorwürfe auszuräumen.

Skeptisch äußert sich derweil der CDU-Abgeordnete und Vorsitzende des NSA-Ausschusses Patrick Sensburg gegenüber Zeit Online: „Es wäre mehr als verwunderlich, wenn es ein entsprechendes Statement der US-Regierung gäbe.“ Aus amerikanischen und britischen Geheimdienstkreisen habe er andere Informationen erhalten.

Bei dem Streit um die Liste mit den NSA-Suchbegriffen (Selektoren) geht es im Kern immer noch um die Frage, welche Ziele der BND im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes ausspioniert hat. Diese Überwachungsmaßnahmen waren nach dem aktuellen Kenntnisstand nicht legal, weil es die NSA unter anderem auch auf europäische Politiker und Unternehmen abgesehen hatte.