Jahresrückblick Linux: Neue Kernel und Liebesgrüße aus Redmond

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Ferdinand Thommes
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Sonderfall Ubuntu

Haben sich die beiden zuvor besprochenen Kandidaten stark verändert, so blieb Ubuntu, zumindest was den Desktop betrifft, für viele Anwender auch 2015 zu wenig innovativ. Wenig, was auf den ersten Blick ins Auge fällt, änderte sich überhaupt.

Während im Bereich Server und Cloud-Computing mit OpenStack 2015 die Marktanteile ausgebaut werden konnten, wäre es nicht verwunderlich, wenn der Anteil von Ubuntu am Linux-Desktop in diesem Jahr abgenommen hätte. Das von Shuttleworth propagierte Ziel von 200 Millionen Anwendern im Jahr 2015 ist jedenfalls laut Aussagen einiger Marktbeobachter genauso großartig gescheitert wie 2013 die Schwarmfinanzierung des Ubuntu Edge. Derzeit gehen grobe Schätzungen von rund 50 bis 100 Millionen Usern aus, auch wenn Dustin Kirkland von Canonical eine ganz andere Rechnung aufmacht.

Als zu undurchsichtig sehen viele Anwender die Strategie von Canonical, nach der Ende 2016 alle Entwicklungsstränge wieder zusammengeführt werden und der Mobilbereich konvergent mit dem Desktop verschmelzen soll. Dabei ist der Begriff Konvergenz in der Praxis bisher so leer geblieben, dass er gut als Linux-Unwort des Jahres 2015 dienen könnte. Je mehr davon gesprochen wird, desto weniger ist er greifbar. Dabei war in Ausblicken auf das Jahr 2016 auf einigen Webseiten bereits zu lesen, dass es als das Jahr in die Annalen eingehen werde, in dem Canonical seine mobilen Ambitionen begräbt. Andere Marktbeobachter schreiben auch den im Hause Canonical entwickelten Display-Server Mir bereits ab, der im Oktober 2016 sein Debüt zusammen mit Unity 8 feiern soll.

Ubuntu für Smartphones
Ubuntu für Smartphones (Bild: Canonical)

Das einzige kleine Plus, das Canonical 2015 außerhalb von Server und Cloud für sich verbuchen kann, ist die Verfügbarkeit des Meizu MX4 mit Ubuntu Touch. Auch wenn hier noch viel Arbeit bleibt, zeigte der ComputerBase-Test, dass hier Potenzial für eine Android-Variante vorhanden ist.

Microsoft liebt jetzt Linux

Microsoft im Linux-Jahresrückblick? Ja, denn Microsoft liebt Linux, wie das Unternehmen 2015 wiederholt wissen ließ. Dass das nicht einmal der bei Sun Microsystems in Linux geschulte Satya Nadella glaubt, tut der Inbrunst keinen Abbruch, mit der die Botschaft verkauft wird.

Microsoft Loves Linux
Microsoft Loves Linux (Bild: It's F.O.S.S.)

Im abgelaufenen Jahr hat Microsoft in Sachen Linux genau das getan, was nötig ist, damit die Kunden im Bereich Cloud-Computing und Containerisierung nicht davonlaufen. Software von Canonical und Red Hat wurden in Azure integriert, Hyper-V wird derzeit an Linux angepasst. Im Unternehmensbereich wurde Software wie der Editor Visual Studio Code oder die JavaScript-Engine Chakra und weitere Teile von .NET als Open Source freigegeben. Microsoft wird dafür seine Gründe haben, ebenso wie für die Spende an die OpenBSD-Foundation im Sommer. Bei OpenBSD wird die Community belohnt, die geholfen hat, OpenSSH für die PowerShell fit zu machen. Mit Azure Cloud Switch hat Microsoft sogar seine eigene Linux-Distribution entwickelt.

Der Hype Cloud und Container hält an

Der Hype, alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist, in einen Container zu packen, hielt auch 2015 unvermindert an. Docker und Co. sind aus der modernen IT-Landschaft nicht mehr wegzudenken. Im zu Ende gehenden Jahr ging es dabei vielfach um die Erhöhung der Sicherheit im Container. Canonicals Ansatz mit LXD als „Hypertainer“ fand zumindest bei Microsoft Anklang, denn beide Unternehmen arbeiteten bei der Entwicklung einer LXD RESTful-API zusammen, um diese in eine Cross-Plattform-Managementebene für Container zu entwickeln. Hosts, auf denen LXD läuft, können dann zu Clustern zusammengefasst werden und beispielsweise als Nova-Compute-Knoten in OpenStack laufen. Hierzu hat Canonical Nova-Compute-LXD (nclxd) geschaffen.

Überhaupt hat Canonical seine Marktanteile beim Einsatz von Lösungen auf der Basis von OpenStack weiter ausgebaut. Ab und an wird auch weiterhin gemunkelt, Microsoft werde versuchen, einen Linux-Distributor zu übernehmen, und dabei fällt immer noch der Name Canonical.