EU-Kommission: Mit Gigabit-Internet in die digitale Zukunft

Andreas Frischholz
40 Kommentare
EU-Kommission: Mit Gigabit-Internet in die digitale Zukunft
Bild: Mission of Norway to the EU | CC BY 2.0

Mit den Vorschlägen für eine Urheberrechts- und Breitband-Reform bläst die EU-Kommission zum Großangriff, damit die europäische Digitalwirtschaft zu einem weltweiten Vorreiter aufsteigen kann. Viele Aspekte der Pläne sind aber äußerst umstritten.

Reform für den Telekommunikationsmarkt

Das Ziel der EU-Kommission mit dem Reformpaket: Einhergehend mit der Datenschutz-Verordnung soll die Urheberrechtsreform den digitalen Binnenmarkt in Europa vereinheitlichen. Kein Flickenteppich mehr, der sich aus 28 unterschiedlichen Regelwerken zusammensetzt. Stattdessen gelte dann nur noch eine Verordnung für alle EU-Staaten. „Unsere Kreativwirtschaft wird von diesen Reformen profitieren. Mit ihnen bewältigen wir die Herausforderungen des Digitalzeitalters und bieten den europäischen Verbrauchern eine größere Auswahl an Inhalten“, erklärt der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, der für die Reformen verantwortlich ist.

Pläne für den Gigabit-Ausbau

Die Grundlage für die digitale Wirtschaft sind allerdings schnelle Netze. Deswegen will die EU-Kommission mit der Reform des Telekommunikationsmarktes auch den Breitbandausbau vorantreiben. „Wir wollen, dass in Europa in den nächsten Jahren eine hochmoderne digitale Infrastruktur ausgebaut wird“, sagt Digitalkommissar Günther Oettinger. Bis 2025 sollen also sämtliche Haushalte in der EU – sowohl in der Stadt als auch auf dem Land – einen Anschluss mit 100 Mbit/s buchen können, der sich bei Bedarf auf Glasfaser-Geschwindigkeiten aufrüsten lässt. Für öffentliche Einrichtungen und Unternehmen sind Gigabit-Internetanbindungen als Standard vorgegeben.

Die dafür nötigen Investitionen beziffert die EU-Kommission auf 500 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren. Bis dato wären aber nur mit 350 Milliarden Euro zu rechnen, deswegen sollen mit den Reformen weitere Anreize für private Investoren geschaffen werden. Am Wettbewerb auf dem Breitbandmarkt will die EU-Kommission dabei aber weiterhin festhalten. Wie das in der Praxis aussieht, zeigt etwa das Ko-Investitionsmodell, das bereits gestern durchgesickert ist. Demnach soll die Regulierung nur dann gelockert werden, wenn konkurrierende Betreiber gemeinsam in Netze mit sehr hoher Kapazität investieren.

Während ehemalige Staatsbetriebe wie die Deutsche Telekom solche Vorgaben kritisieren, sind die Wettbewerber im Kern zufrieden. So erklärt etwa Stephan Albers, Geschäftsführer vom alternativen Provider-Verband Breko: „Wir begrüßen das klare Bekenntnis der EU-Kommission zur Glasfaser als zukunftssicherer Infrastruktur sowie zum Wettbewerb.“ Und VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner bezeichnet die Vorschläge als eine „politische Fokussierung, wie wir sie uns in Deutschland nur wünschen können“.

5G-Ausbau und freie WLANs

Bis 2025 sollen nach dem Willen der EU-Kommission zudem die 5G-Netze europaweit ausgerollt werden. Dazu wurde heute ein Aktionsplan vorgelegt. Dieser besagt: Bis 2018 sollen europaweit 5G-Testläufe durchgeführt und die nationalen Ausbaupläne beschlossen werden. Danach will man dann die 5G-Frequenzbänder gemeinsam mit den EU-Staaten und der Branche festlegen und zuteilen. Der gewerbliche Start der 5G-Technik ist für 2020 anvisiert.

Zudem will die EU-Kommission auch das Angebot an offenen WLANs ausweiten. Bis 2020 soll es an den wichtigsten öffentlichen Orten in jeder europäischen Großstadt einen „kostenlosen WLAN-Internetzugang“ geben, erklärte Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bereits am Vormittag anlässlich seiner Rede zur Lage der Europäischen Union im EU-Parlament.

Umstrittene Pläne für ein modernes Urheberrecht

Bei der Urheberrechtsreform verfolgt die EU-Kommission folgende Ziele:

  • Innerhalb der EU soll es mehr Auswahl und einen leichteren Zugang zu Inhalten geben.
  • Ein verbessertes Urheberrecht im Hinblick auf Bildung, Forschung und das Kulturerbe.
  • Besserer Schutz für Urheber, die Kultur- und Kreativwirtschaft sowie die Presse.

Grundsätzlich lautet also der Ansatz: Egal in welchem EU-Staat sich ein Bürger aufhält, überall sollen möglichst dieselben Inhalte verfügbar sein. Von dem einst anvisierten Ende des Geoblockings ist die EU-Kommission schon vor geraumer Zeit abgerückt. Stattdessen werden nun die EU-Staaten aufgefordert, Vermittlungsstellen einzurichten, damit Rechteanbieter und Käufer die Lizenzen auch europaweit vermitteln können. Zudem soll auch die Rolle der Verwertungsgesellschaften bei der Vergabe von Lizenzen gestärkt werden.

Die Position von Urhebern und Kreativen will die EU-Kommission stärken, indem deren Verhandlungsposition gegenüber den großen Online-Plattformen verbessert wird. Diese würden die Werke der Urheber nutzen, um Einnahmen per Werbung zu generieren, erklärt der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Kommissions-Vizepräsident Andrus Ansip. Deswegen sei eine faire Beteiligung an den Umsätzen erforderlich.

Die Reform umfasst dabei auch umstrittene Regeln wie ein europäisches Leistungsschutzrecht – ein Vorhaben, das bereits in Deutschland und Spanien krachend gescheitert ist. Wieso soll es nun also europaweit funktionieren? Die Antwort von Digitalkommissar Oettinger lautet erneut: Konzerne wie Google wären zwar bereit, auf einen einzelnen Markt wie etwa Spanien zu verzichten. Beim kompletten EU-Markt würde das aber nicht mehr funktionieren. Zudem sei das Leistungsschutzrecht nicht als eine Art „Hyperlink-Steuer“ geplant, kostenfrei verlinken soll also weiterhin möglich sein.

Scharfe Kritik in ersten Reaktionen

Vor allem für die Vorschläge zur Urheberrechtsreform erntet die EU-Kommission nun Kritik – sowohl aus der Wirtschaft als auch von Verbraucherschutzverbänden. So erklärt etwa der IT-Branchenverband Bitkom, dass ein neues Leistungsschutzrecht keinen Sinn ergäbe. Es „werde die Informationsvielfalt im Internet verringern, wenn innovative Dienste und Start-ups für die Verbreitung von Online-Nachrichten durch hohe Lizenzkosten und rechtliche Unsicherheiten ausgebremst werden“.

Ebenso sagt Klaus Müller vom Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv): „Aus Verbrauchersicht sind die Vorschläge der EU-Kommission eine große Enttäuschung.“ Statt Rechtssicherheit zu schaffen, werde die Wunschliste der Verlage abgearbeitet. Und mit „Vorschlägen wie der Content ID zementiert die Kommission die Macht von Großkonzernen, statt Startups zu fördern“.

Zeitplan: Abschluss der Reform bis 2017

Noch sind aber die Reform-Vorschläge der EU-Kommission nicht in Stein gemeißelt. Denn bevor diese final beschlossen werden, müssen noch das europäische Parlament und der EU-Rat zustimmen – in den kommenden Monaten ist also mit intensiven Debatten zu rechnen. EU-Digitalkommissar Oettinger hofft allerdings, dass sich die EU-Gremien noch im Jahr 2017 auf eine gemeinsame Linie einigen können.

Nvidia GTC 2024 (18.–21. März 2024): ComputerBase ist vor Ort!