Battlefield 1 im Test: Bombastischer Multiplayer trifft So‑lala‑Solo

 3/4
Max Doll
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Online faszinierend

Die besten Geschichten erzählt Battlefield 1 aber ohnehin online und situativ. Das gelingt Battlefield 1 besser den je, weil der Shooter weite Teile seiner bedrückenden Atmosphäre in den Mehrspielermodus übertragen kann. Am Kern des Shooters liegt das nur bedingt, weil DICE dem spielerischen Kern überwiegend sanfte Retuschen angedeihen lässt und lediglich neue taktische Optionen durch den Einsatz zeitgenössischer Waffen schafft. Auswirkungen haben vielmehr die modernisierte Präsentation sowie der auch im Online-Modus bereitgestellte historische Kontext.

Untermalt und ausgemalt werden die Kämpfe von einer erneut herausragenden grafischen Darstellung, immersiven Animationen, dem Rumpeln naher Einschläge sowie dem Wackeln von Fahrzeuge und Waffen unter Beschuss. Damit wirkt das Geschehen archaischer und brutaler als zuvor in der Serie, zumal die Schlachtfeld-Zerstörung endlich das hält, was das System schon immer in Aussicht gestellt hat: Sie wirkt glaubwürdiger, weil es weit weniger unzerstörbare Objekte gibt und nach längeren Gefechten echte Kraterlandschaften mit neuen taktischen Optionen erzeugt werden.

Im Häuserkampf erzielt der Flammenwerfer gute Ergebnisse
Im Häuserkampf erzielt der Flammenwerfer gute Ergebnisse

Zu den destruktiven Freiheiten gesellt sich ein erstmals logisches „Levolution“-System, das Interaktion mit Kartenelementen wie Türen natürlich wirken lässt. Hier hat EA nicht zuviel versprochen: Battlefield 1 fühlt sich wie die erste sinnvolle Weiterentwicklung des Spin-Offs Bad Company 2 an. Das macht den Kampf um Positionen und Schützengräben oder Bunker voller Gas und Flammen bisweilen gespenstisch „real“.

Virtuell den Kopf einziehen

Eine besondere Rolle spielen dabei die Sichtverhältnisse. Einschläge und Explosionen werfen Staub auf, Flammenwerfer und Brandgranaten erzeugen Rauch, Giftgas ist ein halber Nebel und das Wetter kann sich ohnehin nach Belieben verschlechtern oder verbessern. Der Einsatz von Gas hat, so makaber es klingt, an den richtigen Orten weitere Vorteile: Es zwingt Gegner, eine Gasmaske aufzusetzen, was erstens kostbare Zeit dauert und sofort erfolgen muss, zweitens das Anlegen der Waffe verhindert und die Sicht sowie Akustik weiter einschränkt – Spieler außerhalb der Wolke haben damit deutliche Vorteile. Aufgrund der Vielseitigkeit und dem taktischen Nutzen zur Blockierung von Wegen wird Gas daher zu einem festen Bestandteil der Schlachten; es gehört zum Alltag des neuen (alten) Krieges und verseucht häufig hart umkämpfte Positionen.

Ein schöner Wald – wenn da der Krieg nicht wäre
Ein schöner Wald – wenn da der Krieg nicht wäre

Zusammen mit dem Zielen über Kimme und Korn kann ein Kampf mit vielen Spielern und allen Werkzeugen eines modernen Krieges auf engstem Raum zudem hübsch unübersichtlich, hektisch und damit spannend werden. Ein Trupp Soldaten in einem Raum, ein „Kamerad“, der mit dem Flammenwerfer Feinde in einem Treppenhaus in Schach hält, zunehmender Raum und das Rasseln eines Panzers vor der Tür: In solchen Momenten wird, und das ist erstaunlich, das Spiel ein bisschen weniger Spiel als sonst üblich und provoziert den fernen Wunsch, den Kopf vor dem Schreibtisch ein wenig einzuziehen.

Ohnehin erstaunt die Leichtigkeit, mit der verheerende Waffen eingesetzt werden, deren Schrecken das Spiel nicht klinisch ausspart, sondern zumindest andeutet. Verschanzen sich Gegner in einem Haus? Hier hilft der Flammenwerfer. In einem Bunker oder Raum? Natürlich liegt der Griff zum Giftgas nahe, einfach, weil es effektiv ist und ungeschützt erst zu ungesundem Husten und innerhalb weniger Sekunden zum Tod führt – und das obwohl die Brutalität dieser Mittel nicht klinisch distanziert, sondern immer wieder subtil zur Anschauung gebracht wird.

Gameplay goes Weltkrieg

Das Spielgeschehen profitiert von diesen neuen Möglichkeiten und der Neuausrichtung von Klassen sowie Waffen. Mörser sind beispielsweise wesentlich ungenauer, weil die Reichweite zum Ziel abgeschätzt und nach dem ersten Einschlag korrigiert werden muss, große Panzer sind erst mit einem Team sinnvoll zu nutzen. Der Sturmsoldat ist keine reine Todesmaschine mehr, sondern auf den Nahkampf und Panzerabwehr beschränkt, der Unterstützer nun mit Reparaturwerkzeug, Munitionspaketen und einem Maschinengewehr ausgestattet, das mit zunehmender Schussdauer präziser wird und überhitzen kann.

Die Sicht ist oft nicht optimal
Die Sicht ist oft nicht optimal

Das macht Automatikwaffen nicht mehr zur Standardwahl und verlangsamt die Gefechte ein Stück weit beziehungsweise verringert die effektiven Kampfdistanzen. Solche Änderungen sind gelungene Adaptionen an die Zeit, sorgen aber auch dafür, dass Klassen ein wenig mehr in den ihnen zugedachten Rollen genutzt werden.

Einfluss auf das Spielverhalten haben zugleich die Karten selbst. Wird an der Westfront oder in den Alpen gekämpft, sorgen Bunker und Gräben für Deckung. Im Nahen Osten bietet die weite Wüste hingegen deutlich weniger davon und so oftmals gute Aussichtspunkte für Scharfschützen. Das stellt erhebliche Abwechslung bereit – in der Summe unterhalten die Online-Gefechte weit besser als im letzten Serienteil, sie fühlen sich endlich einmal wieder rundum frisch an. Für eine Serie, die immer auch ihren Wesenskern bewahren muss, ist das eine erhebliche Leistung.

Spannender Kampf mit Operations

Neben den Standard-Spielmodi, dem Kampf um Flaggenpunkte mit und ohne Fahrzeuge für viele Spieler, Team-Deathmatch und Rush, nun ergänzt um die Option, mit den „Telegraphenstationen“ Artillerieschläge anzufordern, hat DICE auch eine Neuerung im Gepäck, die zum eigentlichen Herzstück der Online-Schlachten wird: „Operations“ simuliert den Kampf um jeden Zentimeter Boden auf packende Weise. Grundsätzlich stellt der Modus historische Kampagnen nach, die über mehrere Karten hinweg ausgetragen werden.

Dazu werden Rush- und Conquest-Modus kombiniert. Wie beim Rush-Mode gilt es, nacheinander mehrere Sektoren zu erobern. Als erobert gilt ein Sektor aber erst dann, wenn alle zwei oder drei Kontrollpunkte gleichzeitig gehalten werden. Das wiederum gibt den Verteidigern die Chance, den Sektor mit einem (verzweifelten) Gegenangriff weiterhin zu halten und damit die Möglichkeit, ein wenig aktiver zu werden. Sichern sich die Angreifer alle Sektoren, wird auf der nächsten Karte weitergespielt. Eine Niederlage ist allerdings nicht sofort das Ende aller Ambitionen, weil die Angreifer pro Kampagne mehrere Versuche haben; sie schicken nach der Niederlage ein weiteres Bataillon mit 150 frischen Spawntickets auf das bereits verwüstete Schlachtfeld. Auch das fühlt sich auf eine fast bestürzende Weise real an. Und unterhält hervorragend: Jetzt endlich die Verteidiger zu überwältigen oder nur noch wenige Minuten aushalten zu müssen, um eine Runde zu gewinnen ist ein packendes Spannungsmoment.

Große Panzer sind nur im Team effektiv
Große Panzer sind nur im Team effektiv

Neben frischen Truppen wird die Attacke außerdem durch einen „Behemoth“ verstärkt. Dieses besonders mächtige Vehikel verschafft dem unterlegenen Team in allen Modi eine Chance, das Geschehen zu wenden und wird zum umkämpften Hingucker – wenn plötzlich ein Zeppelin auf der Karte erscheint und den Himmel verdunkelt, gewinnen die Gefechte noch einmal an Intensität – eine gute Idee, die die schwankende Zusammenstellung der Teams zumindest ein Stück zu kompensieren weiß. Im Mehrspielermodus hat DICE damit an genau den richtigen Punkten angesetzt und ein rundum überzeugendes Spiel zusammengestellt.