Lego Boost im Test: Komplexe Roboter aus Klötzchen für Kinder

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Michael Schäfer
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Keine Auflistung der Steuerelemente

Es gibt aber auch Kritik: So lässt die App eine komplette Übersicht und Erklärung der einzelnen Steuerelemente vermissen. Kinder können zwar viel über Testen herausfinden, aber nicht selten wäre ein genaues Nachschlagen von Vorteil – so geht erhebliches Potenzial verloren. Beim aktuellen Mindstorms-Set gibt es solch eine Übersicht zumindest als optionale PDF-Datei. Lego argumentiert, dass das Boost-System auf dem Trial-and-Error-Prinzip basiert. So sollen Kinder die einzelnen Funktionen testen sowie direkt mit dem Programmieren starten und spielerisch lernen, welche Programmierbefehle wie funktionieren und wie sie die gewünschten Aktionen umsetzen können.

Das mag generell erst einmal ein kluger Ansatz sein, aber spätestens fortgeschrittene Lego-Bauer dürften nach einiger Zeit zielgerichtet nach Steuerelementen suchen. Zudem stellt sich die Frage, ob Kinder sich alle Möglichkeiten merken können – viele Einstellungen laufen hierbei Gefahr übersehen zu werden. Darüber hinaus sollte der Hersteller bedenken, dass Boost auch in Bildungseinrichtungen eingesetzt werden kann – hier wäre für Lehrer ein Nachschlagewerk ebenfalls von Vorteil. Selbst mit Lego erfahrene Eltern können ihren Kindern somit nur bedingt bei Problemen helfen.

Ebenfalls nicht vorhanden ist ein Bereich, über den auf alle Steuerelemente zugegriffen werden kann. Selbst bei dem später freigeschalteten „Kreativbereich“ ist dies nicht möglich. Hier wird seitens Lego mit den drei Basismodellen „Laufen‟ (für Tiere und anderes), „Fahren‟ (für Fahrzeuge) sowie einem programmierbaren Eingang (für eigene Gebäude, angefangen bei einer Burg bis hin zu einer futuristischen Weltraumstation) eine Vorwahl getroffen.

Freischaltsystem nicht ausgereift

Daneben stellt das Freischalten der einzelnen Modelle samt Ausbaustufen zwar motivierende Lernziele dar; Muss das Tablet aber einmal neu aufgesetzt oder ausgetauscht werden, setzt die Verwendung eine erneute Entsperrung aller Bauanleitungen voraus. Da Lego nach eigenen Angaben auf einen persönlichen Account verzichtet, bestehe auch keine Möglichkeit, die Lernziele festzuhalten. Dies geschieht unter anderem deswegen, da sich Kinder, verständlicherweise, mit Login-Daten schwertun und der Spielspaß unter Umständen getrübt werden könnte. Das ist nachvollziehbar.

Warum Lego jedoch nicht die von Android oder iOS gegebenen Möglichkeiten nutzt, die Errungenschaften wie Spielstände zu handhaben oder extern zu speichern, verwundert. Darüber hinaus würde aus Entwicklersicht die Integration einer Abfrage, ob der jeweilige Nutzer mit dem System bereits vertraut ist, mit Sicherheit keinen großen Aufwand darstellen. Diese Umsetzung hindert den Anwender ja nicht daran, auf Wunsch die Modelle nochmals zu bauen. Auch hier muss Lego nachbessern, denn dieser Zustand kann die Spielfreude deutlich trüben – spätestens dann, wenn das Kind eben komplett von vorne beginnen muss.

Eigene Modelle mit anderen teilen

Erstellte Eigenkreationen lassen sich über die App wiederum einfach mit anderen Nutzern teilen, so dass diese die Modelle nachbauen können. Dadurch gelangen Kinder an viele Bauideen, welche sie weiterverfolgen können. Gleichzeitig sind durch das Lego-System der Kreativität zumindest im gestalterischen Bereich keine Grenzen gesetzt, da das Set ohne Probleme durch andere Lego-Steine erweitert werden kann.

Fazit

Positiv bleiben nach vielen Stunden und Tagen mit Lego Boost die liebevoll gestalteten Modelle in Erinnerung, die wieder einmal zeigen, warum Lego nach wie vor in Kinderzimmern nicht wegzudenken ist. Auch die teilweise unkonventionelle Nutzung der Motoren und Sensoren trägt ihren Teil zum Spielspaß bei – bei klein und groß. Gleichzeitig ist die Teileauswahl sehr gelungen und sorgt für viele spaßige und unterschiedliche Modelle – auch wenn Lego an manchen Stellen weniger knauserig mit den Teilen hätte sein können.

Sinnvoller Aufbau

Ebenfalls gelungen ist die Kombination aus langsamem Aufbau in mehreren Stufen sowie dem immerwährenden Testen mit einem stets erweiterten Funktionsumfang der Programmierelemente. Durch kleine Erweiterungen bleiben die Modelle auch nach dem Bauen spannend und es gibt viel zu entdecken. Die Idee, die Rechenarbeit auf das Tablet auszulagern und das System somit kostengünstiger zu gestalten, zahlt sich ebenso aus – ein potentes Quellgerät vorausgesetzt.

Software als Bremser

Schwächen offenbart dagegen die Software, die nicht nur in der Performance verbesserungswürdig ist: Dass alle Errungenschaften im Grunde schon bei einer Neuinstallation der App verlorengehen, ist im Ernstfall frustrierend. Es kann keinem Kind zugemutet werden, sich noch einmal durch alle Bauanleitungen zu hangeln. Auch wenn nur durchgescrollt werden, ist der Zeitaufwand bei all den verschiedenen Modellen samt Ausbaustufen immens – zumal in manchen Abschnitten die Notwendigkeit des Koppelns des Hubs mit dem Tablet einen direkten Aufruf der Anleitung verhindert. Hier muss Lego definitiv mit einem Modus für erfahrene Bauer nachbessern und die Fehler beseitigen.

Auch das Fehlen einer kompletten Übersicht der Programmierelemente fällt negativ auf. Der Lerneffekt durch Trial and Error in allen Ehren – die Gefahr, dass Möglichkeiten übersehen werden, ist dennoch zu groß. Dass Modelle nicht völlig frei entwickelt werden können, da selbst im Kreativbereich, der für die Schaffung von eigenen Modellen zur Verfügung steht, nicht auf alle Anweisungselemente zurückgegriffen werden kann, muss ebenfalls als Kritikpunkt genannt werden.

Software-Update für fast unbegrenzten Spielspaß

Letztendlich verhindern die genannten Punkte eine uneingeschränkte Kaufempfehlung. Das ist schade, denn in den übrigen Bereichen weiß das Konzept, das aktuell bereits für unter 135 Euro angeboten wird, mehr als zu überzeugen. Es bleibt zu hoffen, dass sich Lego der Kritikpunkte annimmt, dann sind dem Spielspaß wirklich kaum Grenzen gesetzt.

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