EMUI 11 im Hands-On: Huawei setzt „1+8+N“ minus Google konsequent fort

Nicolas La Rocco
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EMUI 11 im Hands-On: Huawei setzt „1+8+N“ minus Google konsequent fort

tl;dr: Zur Huawei Developer Conference (HDC) in Shenzhen hat das Unternehmen mit EMUI 11 die neueste Betriebssystem-Generation für Smartphones und Tablets vorgestellt. Mehr als zuvor soll das Smartphone zum Ausgangspunkt weiterer Aktivitäten im Huawei-Ökosystem werden. Von Android kapselt sich Huawei vermehrt ab.

Huawei treibt die „1+8+N“ getaufte Unternehmensstrategie mit EMUI 11 weiter voran. Die „1“ steht dabei für das Smartphone als Ausgangspunkt aller weiteren Aktivitäten. Huawei Share dient als „+“ für die Verbindung zu weiteren Produktkategorien, die mit AR/VR, Tablets, PCs, Fernsehern, Smartwatches, Lautsprechern, Audioprodukten und Lösungen fürs Auto die „8“ repräsentieren. Das zweite „+“ ist letztlich die Internetanbindung über LTE und 5G zu den zahlreichen Diensten („N“) des Internets.

Huawei legt Fokus auf eigene Dienste

Dass potenziell irgendwann mal wieder Googles Dienste auf Huawei-Produkten laufen könnten, scheint für das Unternehmen keinen hohen Stellenwert mehr zu haben. Zumindest will man sich nicht länger auf diese Eventualitäten verlassen, wie es zuletzt William Tian, Country Head der Consumer Business Group bei Huawei Deutschland, in einem Gespräch zur IFA verdeutlichte. Der Fokus liegt fortan vollständig auf den „Huawei Mobile Services“ (HMS) und der eigenen AppGallery.

EMUI 11 bleibt bei Android 10

Android bleibt aber der Unterbau für das eigene EMUI-Betriebssystem, wenngleich man sich beim „Android Open Source Project“ von den Veröffentlichungen Googles abkapselt. EMUI 11 nutzt in der Basis weiterhin Android 10 und nicht das jüngst vorgestellte Android 11. Das ist eine ähnliche Strategie, wie sie auch Amazon und Xiaomi fahren. Die Versionsnummer von Fire OS oder MIUI hat nichts mehr mit der zugrundeliegenden Android-Basis zu tun. Mehr als je zuvor scheint es, als wolle Huawei mit EMUI quasi ein eigenes Betriebssystem auf die Beine stellen – mit eigener App-Infrastruktur und Versionsnummer weitgehend unabhängig von Google –, anstatt sich einfach nur den US-Restriktionen zu unterwerfen oder auf baldige Lockerungen der Amerikaner zu hoffen.

P40 Pro spielt das Versuchskaninchen

Mit einer neuen Android-Version eingeführte Veränderungen sind so zwar nicht mehr automatisch auch bei Huawei anzutreffen, doch führt das Unternehmen mit EMUI 11 viele Neuerungen ein, die über optische Veränderungen hinausgehen – wenngleich es auch davon zahlreiche gibt. ComputerBase konnte EMUI 11 im Vorfeld der HDC auf einem P40 Pro ausprobieren. Zum Einsatz kam die frühe Vorabversion 11.0.0.115.

Always-on-Display mit eigenen Designs

Neues gibt es angefangen beim Always-on-Display, das sich über den neuen Mondrian-Style mit Mustern im Stil des Malers Piet Mondrian anpassen lässt. Verschieden angeordnete Rechtecke unterschiedlicher Farbpaletten können hinter die Uhrzeit gelegt werden, die sich um Datum und Akkustand ergänzen lässt. Sagen die vorgefertigten Farbpaletten nicht zu, lässt sich ein eigenes Foto schießen oder ein Bild aus der Galerie wählen, aus dem EMUI 11 eine Farbpalette extrahiert.

Animierte Always-on-Displays mit unmöglichen Figuren wie dreidimensionalen Rechtecken, Kreisen und Dreiecken (Penrose-Dreieck) im Stil von M. C. Escher stehen ebenfalls zur Auswahl und bewegen sich auf und ab. Und wer keinen der vorgefertigten Screens von Huawei nutzen möchte, kann auch einfach nur ein eigenes Bild, eine GIF-Animation oder ein Live-Foto für das Always-on-Dispay nutzen.

Fotogalerie erhält Tages- und Monatsansicht

Überarbeitet hat Huawei auch die Fotogalerie. In der neuen App lässt sich über die Pinch-Geste mit zwei Fingern zwischen der Tages- und Monatsansicht wechseln. Die einzelnen Kacheln werden dementsprechend größer oder kleiner dargestellt. In der Monatsansicht liegen acht Fotos nebeneinander, während es in der Tagesansicht vier größere sind. Ein neues Layout gibt es im Reiter „Alben“, wo nun Kacheln im 4:3- oder auch 3:4-Format für die Vorschau auf einzelne Unterordner dienen. Wird eines der Alben geöffnet, wechselt das System zur klassischen Fotoansicht mit vier Bildern pro Reihe.

Neue Animationen und kleine Anpassungen

Animationen und Icons sind weitere Bereiche, die Huawei für EMUI 11 optimiert hat. Weiche Animationen in Anwendungen wie Telefon, Kalender, Fotogalerie und Huaweis eigener Health-App sollen den Fokus des Anwenders beim Wechsel zwischen verschiedenen Ansichten auf das Geschehen in der App lenken. Wie das im Detail aussehen kann, zeigt zum Beispiel ein leichter Fading-Effekt beim Wechsel aus der Galerie zur Detailansicht eines Fotos, wo für kurze Zeit die Fotosammlung mit Transparenz im Hintergrund verbleibt, langsam verschwindet und das ausgewählte Foto als Ganzes den Bildschirm einnimmt.

Neue Animationen gibt es aber auch für die kleinen Icons in den Schnelleinstellungen. Werden diese angetippt, fließen zum Beispiel beim WLAN-Symbol die Empfangswellen nach oben, das Bluetooth-Logo wird nachgezeichnet oder die Glocke für Benachrichtigungen durchgestrichen. Beim Standort macht der Marker einen kleinen Hüpfer und bei der Taschenlampe ist der An-/Ausschalter animiert. Es sind viele kleine optische Anpassungen, die dem Nutzer nicht mehr nur über den Hintergrund der Schaltfläche signalisieren, dass er eine Aktion ausgelöst hat, sondern auch per Animation. Neue Animationen für kleine Symbole finden Anwender zudem in der Telefon-App für den Wechsel zwischen Anrufliste und Zahlenblock oder beim Hinzufügen neuer Kontakte.

Neue Animationen unter anderem in den Schnelleinstellungen
Neue Animationen unter anderem in den Schnelleinstellungen

Eine eher subtile Anpassung vollzieht Huawei bei den Klingeltönen. Ist auch die Vibration aktiv, arbeitet der Vibrationsmotor nun synchron zum Beat des Klingeltons.

Multi-Window-Betrieb mit Mini-Taskleiste

Deutlich größer sind die Neuerungen für den Multi-Window-Betrieb, der nun einzelne Fenster frei bewegbar auf dem Homescreen ermöglicht, die sich in einer Art Taskleiste am Bildschirmrand ablegen lassen, um später erneut darauf zugreifen zu können. Das Ganze erinnert tatsächlich ein wenig an die Nutzung einzelner Fenster auf einem Desktop-PC mit etwa Windows 10, nur eben in einem deutlich kompakteren Format.

Im Detail läuft der Vorgang so ab, dass sich über die Multitasking-Ansicht aktuell geöffneter Anwendungen entsprechend angepasste und zum Multi-Windows-Betrieb kompatible Apps in den Fenstermodus versetzen lassen. Dass eine App diesen Modus unterstützt, wird dem Anwender über ein Fenstersymbol oben rechts neben dem Namen der App signalisiert. Die schwebenden Fenster lassen sich über andere Inhalte legen, die wie zuvor den gesamten Bildschirm einnehmen, sodass etwa der Messenger über ein Video gelegt werden kann. Das Fenster bietet Schaltflächen zum Bewegen des Fensters, zum Minimieren oder Maximieren sowie zum Schließen der App. Wird die App minimiert, landet sie rechts am Bildschirmrand in einer Art Mini-Taskleiste, wo sich mehrere der minimierten Fenster parken lassen. EMUI 11 merkt sich die letzte Ansicht einer App und öffnet diese in derselben Darstellung bei der nächsten Nutzung.