Kauf von Lootboxen: Studie stellt Korrelation mit Spielsucht fest

Max Doll
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Kauf von Lootboxen: Studie stellt Korrelation mit Spielsucht fest
Bild: Clickbait Studios

Eine Untersuchung der britischen Stiftung „Gamble Aware“ kommt zu dem Schluss, dass eine Verbindung zwischen Lootboxen und Spielsucht existiert und Anbieter sich diese zu Nutze machen. Daraus leiten die Autoren Empfehlungen für die Politik ab.

Die von Wissenschaftlern der Universitäten Wolverhampton und Plymouth angefertigte Studie (PDF) legt auf Basis gesammelter Forschungsergebnisse auf 50 Seiten die Geschichte der Lootboxen, Wirkmechanismen, erste Reaktionen von Staaten und die Antwort von Anbietern sowie Gefahrenpotentiale dar.

Korrelation ist weder Ursache noch Folge

Belegen können die Forscher eine Korrelation von Spielsucht und dem Kauf von Lootboxen. Eine Korrelation bedeute aber noch keinen ursächlichen Zusammenhang, betonen die Autoren. Beide Bereiche seien jedoch psychologisch ähnlich, was eine Grundlage für Diskussionen über potentielle Gefahren und Risikogruppen schaffe. Dabei spiele es keine besondere Rolle, ob die Belohnung des Spielers über reine Skins, ein Pay-to-Win-System oder Gegenstände mit geldwertem Vorteil erfolge. Stärker wird die Korrelation laut der Studie nur dann, wenn bei den Boxen Beinahtreffer angezeigt werden oder sich ein Gewinn auf unregulierten Webseiten zu Geld machen lasse. Grundsätzlich, das zeigt auch diese Untersuchung, reicht es aber schon aus, wenn der Gewinn aus einem zumindest in eigener Empfindung steigenden sozialen Status besteht.

Hervorgehoben wird, dass diese Art Mikrotransaktionen unabhängig davon, ob sie Glücksspielsucht befördere oder nicht, eine Gefahr für Menschen darstelle, die anfällig für Glücksspiel seien. Als Risikofaktoren werden das männliche Geschlecht, ein junges Alter und geringe Bildung ausgemacht. Höhere Ausgaben für die Kisten ginge zudem nicht einher mit höherem Einkommen, was als Problemfeld benannt wird. In sechs frei zugänglichen Studien hätten fünf Prozent der Lootboxkäufer, davon ein guter Teil aus Risikogruppen, mehr als 100 US-Dollar pro Monat ausgegeben und etwa die Hälfte des Umsatzes mit dieser Art Mikrotransaktion erzeugt.

Anbieter nutzen Risikogruppen gezielt aus

Die Zahlen zeigen für die Autoren eine unverhältnismäßige Abschöpfung der Risikogruppe mit problematischem Spielverhalten oder Suchtproblemen, nicht aber von Spielern, die sich Ausgaben in dieser Höhe leisten können. Diese auszunutzen und zu nicht mehr verträglichem Ausgabeverhalten anzuleiten werde zumindest in Kauf genommen, heißt es weiter. In einigen Spielen würden ihre Spieler sogar gezielt mit Techniken manipulieren, die bei traditionellem Glücksspiel illegal seien. Dazu gehöre ein Belohnungssystem, dass nicht auf Zufall, sondern Informationen über dem Spieler wie sein Kaufverhalten oder seinen Vorlieben beruhe. Die Ähnlichkeit zu Glücksspielautomaten werde unabhängig davon bewusst kultiviert, wobei auch psychologische Kaufanreize verschiedenster Arten wie das Verschleiern der Kosten durch Ingame-Währungen oder Gratisproben häufig vorzufinden sind.

In diesem Punkt und auch bei der Erhebung von Gründen für den Kauf der Lootboxen liefert die Studie mit Ausnahme einer übersichtlichen Präsentation und der knappen Zusammenfassung des aktuellen Kenntnisstandes kaum Neues. Hier wird im Kern das bestätigt, was in Belgien vor rund zwei Jahren Stand der Kenntnisse war. Beliebte Verteidigungsstrategien der Publisher wie die Verharmlosung als Ü-Ei oder Überraschungsmechanik, die EA ins Feld geführt hatte werden in Anbetracht des Gefährdungspotentials als nicht stichhaltig bewertet. In diesem Zusammenhang setzen sich die Autoren auch mit den Ansätzen von Selbstregulierung auseinander: Vage und unvollständig Gewinnchancen zu benennen, entfalte kaum Wirkung. Auswirkungen auf die Alterseinstufung hätten solche Systeme zudem nicht, diese würde von Eltern aber ohnehin mehrheitlich ignoriert.

Klare Empfehlungen in größerem Kontext

Am Ende stehen klare Empfehlungen für die Politik. Gefordert wird ein stärkerer Schutz von Konsumenten, größerer Datenschutz und die Förderung weiterer Forschung. Dies soll durch eine klare Definition von Lootboxen, Altersbeschränkungen und Kennzeichnungen, vollständige, einfach zu verstehende Offenlegungen von Gewinnchancen, den Verkauf der Kisten nur für harte Währung und Limits für Käufe erreicht werden.

Diese Vorschläge verbinden die Forscher mit der Warnung vor einem schnell anpassungsfähigen Markt, der Gesetze schnell obsolet zu machen droht. Das Vorgehen gegen Lootboxen sei möglicherweise nicht genug, seien diese doch nur das „offensichtlichste Gesicht einer sich beschleunigenden Konvergenz von Glücksspiel und Gaming“. Risikogruppen könnten anfällig für alternative Ansätze der Monetarisierung sein, die sich bei Regulierung des Marktes entwickeln werde. Auch wenn empfohlen wird, die Kisten alleine deshalb zu regulieren, um eine klare Botschaft an Unternehmen zu senden, müsse der Blick in Großbritannien schließlich weiter gefasst werden, schließt die Studie, und auf alle Arten rücksichtsloser Monetarisierung ausgeweitet werden.

Ein neuer Blick

Die Schlussfolgerungen der Studie sind insofern bemerkenswert, als dass sie die Perspektive weiten und Lootboxen kontextualisieren als einen Auswuchs üblicher Praktiken einer Branche. In Deutschland hat diese Sicht mit der Reform des Jugendschutzgesetzes bereits teilweise Einzug gehalten. Hier wird nicht die Lootbox als besonders Verkaufsangebot benannt, sondern ihre Funktion beschrieben, womit sich die Behörden Spielräume schaffen.