Apple iPad Air 5 (2022) im Test: Das iPad Pro im Schafspelz

Nicolas La Rocco
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Apple iPad Air 5 (2022) im Test: Das iPad Pro im Schafspelz

Das neue iPad Air 5 rückt dem iPad Pro dank M1 gehörig auf die Pelle. In puncto Leistung sind die Tablets nicht mehr voneinander zu unterscheiden, beim Speicher geizt Apple aber. Center Stage der neuen FaceTime-Kamera funktioniert gut, aber der Blickwinkel bleibt suboptimal. Beim Aluminiumgehäuse sollten Käufer genau hinsehen.

Chipkrise? Welche Chipkrise? Apple scheint davon jedenfalls nicht betroffen zu sein. Den schnellsten iPhone-Chip A15 verbaut der Konzern vom iPhone 13 bis zum günstigsten iPhone SE. Im Mac Studio werkelt mit dem M1 Ultra ein 114-Milliarden-Transistoren-Monster, im Studio Display steckt ein A13 und im neuen iPad Air der 5. Generation kommt jetzt der M1 zum Einsatz, der bislang dem iPad Pro und Mac vorbehalten war. Leistungsfähige Chips hat Apple zur Genüge und verschleudert sie geradezu. Gut für die Kundschaft, schlecht für die Mitstreiter, die in puncto Leistung schon lange den Anschluss verloren haben. An Relevanz verliert damit allerdings auch ein wenig das kleine iPad Pro mit 11 Zoll – eine gewisse Daseinsberechtigung bleibt jedoch.

Technische Daten im Überblick

Das neue iPad Air bringt ein eher kleines Maßnahmenpaket mit, nachdem die große Neugestaltung auf ein ähnliches Gehäuse wie beim iPad Pro bereits 2020 vollzogen wurde. Das Design mit abgeflachten Seiten, Touch ID im Power-Button und reduzierten Bildschirmrändern führt Apple unverändert fort. Ganz korrekt ist das allerdings nicht, denn neue Farben gibt es immerhin: Polarstern, Rosé, Violett und Blau (Testgerät) ersetzen Silber, Roségold, Sky Blau und Gold. Einzig und allein Space Grau ist von der vierten Generation übernommen worden. Das neue Tablet bringt davon abgesehen drei wesentliche Neuerungen mit:

  • M1-Vollausbau mit 8 CPU- und 8 GPU-Kernen.
  • 5G (optional, zuzüglich 170 Euro).
  • 12 MP starke Ultraweitwinkel-Frontkamera mit Center Stage.

Neben diesen größeren Veränderungen gibt es eine Handvoll kleinerer. Weil der M1 zum Einsatz kommt, stecken stets 8 statt 4 GB RAM in dem Tablet. Darüber hinaus ist die USB-C-Buchse aktualisiert worden und arbeitet jetzt mit 10 Gbit/s statt 5 Gbit/s und kann dadurch Bildschirme bis 6K-Auflösung ansprechen. Das Tablet lässt sich damit etwa am Pro Display XDR oder am neuen Studio Display mit 5K-Auflösung betreiben.

Wirklich nützlich ist das Feature allerdings wie gehabt nicht, denn nach wie vor wird lediglich der Inhalt des Tablets gespiegelt und andere Formate als das native 4:3 des Modells werden extern weiterhin nicht von iPadOS unterstützt. Auf dem Studio Display resultiert das in fetten schwarzen Balken links und rechts. Praktisch ist die höhere Übertragungsrate primär für externe Speichermedien wie USB-C-Sticks oder USB-C-Kartenleser, um Inhalte wie Fotos schneller auf das Tablet zu importieren.

Apple iPad Air (2022)
Apple iPad Air (2020)
Software:
(bei Erscheinen)
iPadOS 15.4 iPadOS 14
Display: 10,90 Zoll, 1.640 × 2.360
264 ppi, 60 Hz
IPS
Bedienung: Touch, Stylus, Fingerabdrucksensor
SoC: Apple M1
4 × Firestorm, 3,20 GHz
4 × Icestorm, 2,06 GHz
5 nm, 64-Bit
Apple A14 Bionic
2 × Firestorm, 3,01 GHz
4 × Icestorm
5 nm, 64-Bit
GPU: Apple Octa-Core
1.278 MHz
Apple Quad-Core
RAM: 8.192 MB
LPDDR4X
4.096 MB
LPDDR4X
Speicher: 64 / 256 GB 64 / 256 GB
1. Kamera: 12,0 MP, 2160p
f/1,80, AF
2. Kamera: Nein
3. Kamera: Nein
4. Kamera: Nein
5. Kamera: Nein
1. Frontkamera: 12,0 MP, 1080p
Display-Blitz, f/2,4
7,0 MP, 1080p
Display-Blitz, f/2,0
2. Frontkamera: Nein
GSM:
Nein
Variante
GPRS + EDGE
Nein
Variante
GPRS + EDGE
UMTS:
Nein
Variante
DC-HSPA
↓42,2 ↑5,76 Mbit/s
Nein
Variante
DC-HSPA
↓42,2 ↑5,76 Mbit/s
LTE:
Nein
Variante
Advanced Pro
Nein
Variante
Advanced Pro
5G:
Nein
Variante
NSA/SA
Nein
WLAN: 802.11 a/b/g/n/ac/ax
Bluetooth: 5.0
Ortung:
Nein
Variante
A-GPS, GLONASS, BeiDou, Galileo, QZSS
Nein
Variante
A-GPS, GLONASS, BeiDou, Galileo, QZSS
Weitere Standards: USB-C 3.1, Smart Connector, Magnetic Connector USB-C 3.0, Smart Connector, Magnetic Connector
SIM-Karte:
Variante
Nano-SIM
Variante
Nano-SIM
Akku: ? (28,60 Wh)
fest verbaut
Größe (B×H×T): 178,5 × 247,6 × 6,10 mm
Schutzart:
Gewicht: 461 / 462 g 458 / 460 g
Preis: ab 610 € / ab 810 € / ab 718 € / ab 1.019 € ab 486 € / ab 579 € / ab 741 € / ab 853 €

Design und Haptik

Abseits der neuen Farben sind iPad Air 2022 und das alte Modell aus 2020 optisch nicht voneinander zu unterscheiden, würde man beide Tablets ohne nähere Beschreibung nebeneinanderlegen. Die Alleinstellungsmerkmale im Vergleich zu Apples weiteren Tablets kann man an dieser Stelle trotzdem noch einmal aufführen. In erster Linie ist als Besonderheit Touch ID im Power-Button zu nennen, das so umgesetzt nur noch beim iPad mini 6 (Test) zu finden ist. Die Taste fällt groß genug aus, um sie stets zielsicher mit einer der zum Start mindestens zwei hinterlegten Fingerspitzen zu erreichen.

Touch-ID-Einrichtung für zwei Ausrichtungen

Clever gelöst wurde von Apple der Einrichtungsprozess, der die vertikale und horizontale Ausrichtung des Tablets und davon abgeleitet die unterschiedlichen Positionen des Power-Buttons einbezieht. Vertikal gehalten kommt am ehesten der rechte Zeigefinger für Touch ID zum Einsatz, horizontal gehalten eher der linke. Für beide Ausrichtungen fragt Apple gleich zur Einrichtung das Hinterlegen eines Fingerabdrucks ab. Touch ID beim iPad Air verhält sich beim Entsperrvorgang insofern so wie Touch ID beim iPad Pro, als dass das Tablet beim Auflegen das Fingers zwar entsperrt, iPadOS aber auf dem Sperrbildschirm verbleibt, bis mit einer Wischgeste auf den Homescreen gewechselt wird.

Gehäuse aus (dünnem) Aluminium

In den Bereichen Materialwahl und Verarbeitung gibt es an Apples Produkten für gewöhnlich nichts auszusetzen und grundsätzlich gilt das auch für das neue iPad Air. Beim neuen Modell wurden zu Beginn der Auslieferung Stimmen laut, wonach das Unternehmen am Material gespart habe. Auf Reddit berichten mehrere Anwender, dass die Materialstärke der Rückseite gegenüber dem letzten iPad Air abgenommen habe, man die Batterie fühlen könne und das Tablet knarzende Geräusche von sich gebe. Ein Anwender hat ein ploppendes Geräusch der Rückseite auf YouTube festgehalten.

Von einem alle Geräte betreffenden Problem kann allerdings nicht die Rede sein, wie ebenso mehrere vollkommen zufriedene Kunden auf Reddit berichten. ComputerBase selbst hat zwei Testgeräte des neuen iPad Air vorliegen, weil das erste im Rahmen der frühen Nutzung ähnliche Symptome zeigte. Das zweite Testgerät weist die Problematik allerdings nicht auf und auch die erste Lieferung hat sich zwischenzeitlich verbessert. Möglicherweise sind gewisse Kleber noch nicht völlig ausgehärtet gewesen, eine offizielle Begründung liegt der Redaktion jedoch nicht vor. Unter Umständen sollte man ein neu erworbenes iPad Air diesbezüglich etwas genauer unter die Lupe nehmen. Grundsätzlich fallen Materialwahl und Verarbeitung auch bei dieser Generation sehr gut aus.

Heller Bildschirm ohne Veränderungen

Am Display hat Apple keinerlei Veränderungen vorgenommen. Es misst nach wie vor 10,9 Zoll, kommt im praktischen 4:3-Format daher, das beim Surfen, Schreiben oder Zeichnen hilfreich, aber für Filme nicht ganz so gut geeignet ist, und hat mit 1.640 × 2.360 Pixeln eine hohe Auflösung, die für ein scharfes Schriftbild sorgt. Apple spezifiziert den Bildschirm wie vor zwei Jahren mit 500 cd/m², die im Test leicht übertroffen wurden, und betreibt das Panel im eigenen P3-Farbraum mit laut Messung korrekt eingestelltem Weißpunkt. Vorteil gegenüber dem normalen iPad ist insbesondere das vollständig laminierte Display, sodass keine Lücke zwischen Glas und Panel klafft, die das günstigste iPad qualitativ doch merklich von den teureren Modellen unterscheidet. Die Antireflex-Beschichtung gibt es ebenfalls ausschließlich ab dem iPad Air und iPad mini.

Diagramme
Display-Helligkeit max.
  • Automatikmodus 100% APL:
    • Apple iPad Pro 12,9" (2021)
      616
      Weißpunkt: ca. 6.500 Kelvin
    • Samsung Galaxy Tab S8 Ultra
      601
      Weißpunkt: ca. 7.100 Kelvin
    • Apple iPad Pro 11" (2018)
      591
      Weißpunkt: ca. 7.000 Kelvin
    • Apple iPad Air (2022)
      528
      Weißpunkt: ca. 6.500 Kelvin
    • Apple iPad mini (2021)
      524
      Weißpunkt: ca. 6.500 Kelvin
    • Apple iPad Air (2020)
      496
      Weißpunkt: ca. 6.500 Kelvin
    • Lenovo Tab P11 Pro
      496
      Weißpunkt: ca. 7.800 Kelvin
    • Xiaomi Pad 5
      496
      Weißpunkt: ca. 7.280 Kelvin
    • Amazon Fire HD 8 (2020)
      470
      Weißpunkt: ca. 6.680 Kelvin
    • Apple iPad (2020)
      464
      Weißpunkt: ca. 6.600 Kelvin
    • Huawei MatePad Pro
      454
      Weißpunkt: ca. 8.800 Kelvin
    • Samsung Galaxy Tab S7+
      438
      Weißpunkt: ca. 7.040 Kelvin
    • Lenovo Tab P11
      408
      Weißpunkt: ca. 7.300 Kelvin
    • Amazon Fire HD 10 (2021)
      400
      Weißpunkt: ca. 6.950 Kelvin
    • Amazon Fire HD 10 (2019)
      392
      Weißpunkt: ca. 5.890 Kelvin
    • Samsung Galaxy Tab S6
      377
      Weißpunkt: ca. 6.030 Kelvin
    • Huawei MatePad Pro 12.6
      375
      Weißpunkt: ca. 7.570 Kelvin

HDR und Schwarzwert hinken iPad Pro hinterher

Apple setzt beim iPad Air abermals auf ein IPS-Panel mit klassischer LED-Hintergrundbeleuchtung, die keine getrennten Dimmingzonen unterstützt. Schwarz sieht deshalb mehr wie Dunkelgrau aus, vor allem wenn man das Tablet mit dem großen iPad Pro vergleicht, das eine Mini-LED-Hintergrundbeleuchtung nutzt. Diese ist tatsächlich nur beim 12,9"-Modell verbaut, das iPad Pro 11" arbeitet mit der gleichen Hintergrundbeleuchtung wie das iPad Air, allerdings liegt die maximale Helligkeit bei 600 statt 500 cd/m². Apple spricht in beiden Fällen von einer „SDR-Helligkeit“, aber selbst ein iPad Air kann HDR-Material wiedergeben, wenngleich der Effekt bei Weitem nicht so eindrucksvoll wie auf dem großen iPad Pro zum Vorschein kommt.

Nach ProMotion gibt es kein Zurück mehr

Neben der etwas höheren Maximalhelligkeit und Auflösung (2.388 × 1.668) liegt der primäre Vorteil des kleinen iPad Pro bei ProMotion mit bis zu 120 Hz. Für tägliche Nutzer eines iPhone 13 Pro Max (Test) und iPad Pro 12,9" (Test) stellt das iPad Air mit 60 Hz ein herbes Downgrade dar. Das ist Meckern auf hohem Niveau, aber wer sich einmal an 120 Hz gewöhnt hat, kann nicht mehr zu Geräten mir geringerer Bildwiederholfrequenz zurück. Dabei ist ein iPad Air mit M1 natürlich alles andere als langsam, aber Animationen und Wischgesten gehen auf dem Gerät bei Weitem nicht so geschmeidig von der Hand wie auf den professionellen Tablets und Smartphones von Apple. In diesem Punkt muss man deutlich zwischen Anwendern unterscheiden, die sich bereits an 120 Hz gewöhnt haben, und solchen, deren Alltag bislang 60-Hz-Bildschirme begleiten. Das ProMotion-Display ist neben Face ID einer der Gründe, warum das kleine iPad Pro seine Daseinsberechtigung nicht verloren hat.

Neue FaceTime-Kamera mit Center Stage

Obwohl es Face ID nicht in das iPad Air geschafft hat, sitzt oben respektive links im Rahmen dennoch die neue Ultraweitwinkel-Frontkamera mit 12 MP Auflösung. Damit realisiert Apple jetzt auf allen aktuellen iPads den Folgemodus „Center Stage“, der virtuelle Kameraschwenks für den Anwender in Apps wie FaceTime, Skype und Zoom durchführen kann – sofern gewünscht. Center Stage muss nicht genutzt werden und kann in den jeweiligen Apps oder generell über eine Option im Control Center ausgeschaltet werden.

Der Blickwinkel der Kamera bleibt suboptimal

Die weitgehend gute Qualität der Frontkamera wird ein wenig dadurch geschmälert, dass der Blickwinkel im Querformat für die anderen Teilnehmer eines Calls etwas merkwürdig wirken kann. An einem Smart Folio oder dem Magic Keyboard befestigt, wird der Nutzer stets von links und relativ weit unten gefilmt, was dafür sorgt, dass man dem Gegenüber auf dem eigenen Bildschirm nicht richtig in die Augen schauen kann. Richtet man den Blick allerdings auf das Display, wird nicht mehr in die Kamera geschaut, was wiederum für die andere Seite so wirkt, als würde man nicht mit voller Aufmerksamkeit an dem Gespräch teilnehmen. Vertikal ausgerichtet funktioniert die Kamera besser, dann allerdings lässt sich das Tablet nicht mehr an Apples Peripherie befestigen, sondern muss in der Hand gehalten oder an einen anderen Gegenstand angelehnt werden.

Tablets wie das Galaxy Tab S8 Ultra (Test) bringen die Kamera(s) sinnvollerweise auf der langen Seite unter, wenngleich dafür dann – zumindest bei Samsung – eine Notch benötigt wird. Apple setzt auf etwas breitere Bildschirmränder, sodass die Kamera an (vermutlich) beliebiger Stelle platziert werden könnte. Die lange Seite oben nimmt jedoch das Ladesystem und die magnetische Halterung für den Apple Pencil der 2. Generation auf. Das Zubehör zum Schreiben und Zeichnen kostet rund 120 Euro.

Stereo-Lautsprecher im Landscape-Format

Von diesem konstruktionsbedingten Manko abgesehen ist das iPad Air ein hervorragendes Gerät für die Videotelefonie. Die zwei integrierten Mikrofone sorgen für eine gute Sprachqualität, sodass man selbst ohne dediziertes Mikrofon und Kopfhörer verständlich für die Teilnehmer ist. Die zwei Lautsprecher an der jeweils kurzen Seite des Tablets sorgen für eine gelungene akustische Untermalung, die vor allem bei Filmen und Serien gut zur Geltung kommt. Zu beachten ist allerdings, dass Stereo nur im Landscape-Modus geboten wird, vertikal gehalten bietet einzig und allein das iPad Pro mit vier Lautsprechern diesen Effekt. Auch das iPad Air hat zwar vier Öffnungen für die Lautsprecher, tatsächlich verbaut sind jedoch nur zwei, von denen jeweils einer über zwei Öffnungen zu hören ist.