Netzbetreiber gegen Abschaffung der Roaming-Gebühren

Ferdinand Thommes
67 Kommentare

Bereits seit 2010 verfolgt die Eu-Kommission das Ziel, die Roaming-Gebühren im europäischen Raum abzuschaffen. Mitte 2012 konnten die Gebühren für das Roaming bei Telefonaten, Textnachrichten und beim Datenversand bereits gesenkt werden. Vizepräsidentin Nellie Kroes möchte jedoch ab 2015 die Gebühren ganz abschaffen.

Die seit Juli 2012 gesenkten Gebühren für die Nutzung von Telefonaten, Textnachrichten und beim Datenversand mit mobilen Telefonen im Ausland sollen bis 2014 kontinuierlich weiter sinken. Gegen diese Pläne regt sich seit längeren Widerstand der Netzbetreiber. In einem gemeinsamen Brief wandten sich 22 der größten Mobilfunkanbieter bereits im Frühjahr 2012 an die Europäische Kommission, um gegen die Regulierung zu protestieren. Am kommenden Montag treten nun die Chefs der großen Anbieter bei Vizepräsidentin Neelie Kroes und der Europäischen Kommission in Brüssel an, um für ihre Interessen zu werben.

Geschätzte fünf Prozent erwirtschaften die Netzbetreiber jährlich über die Roaming-Gebühren. Laut einer Studie von Juniper Research sollen diese Erlöse wegen der zunehmenden Internetnutzung in Mobilfunknetzen, die im letzten Jahr bei 35 Millionen Euro lagen, bis zum Jahr 2017 branchenweit auf rund 62 Millionen Euro ansteigen, wobei Europa überproportional zulegt. Es geht also um sehr viel Geld. Der Financial Times sagte ein nicht genannter Top-Manager der Branche, mit den geplanten Regelungen würden die gesamten jährlichen Investitionen in regionale Infrastruktur ausradiert. Die geplante Abschaffung der Gebühren für das Roaming fallen zudem in eine Zeit, in der die Anbieter viel Geld in den Ausbau der 4G-Infrastruktur investieren wollen.

Eine weitere Befürchtung betrifft die sogenannten Virtuellen Mobilfunknetzbetreiber (MVNO), die kein eigenes Netz haben, sondern Kapazitäten zum Weiterverkauf bei den großen Netzbetreiben einkaufen. Fallen die Roaming-Gebühren weg, so steht laut den Netzbetreibern ein Zuwachs dieser Billiganbieter zu befürchten, die ihre Kontingente günstig in Europa kaufen um diese in höherpreisigen Ländern abzusetzen. Diese Bedenken teilt auch Robin Bienenstock, Analystin beim US-Analysehaus Bernstein Research.

Kroes, die in ihrer Linie bisher hart bleib, was die Abschaffung der Gebühren für Roaming angeht, sieht sich nun Kritik von den Kollegen der EU-Kommission ausgesetzt. Ziel sei es, so die Kritiker, die Roaming-Gebühren abzuschaffen, ohne solche neuen Geschäftsmodelle zu begünstigen oder notwendige Investitionen zu unterlaufen.

Die EU-Kommission will im September einen eigenen Entwurf vorlegen, wie Kommissionspräsident José Manuel Barroso Mitte Juni mitteilte. Nicht alle Kommissionsmitglieder sehen die Netzbetreiber jedoch als Betroffene an. Ein ungenannter EU-Beamter sagte der Financial Times, die Netzbetreiber würden sich über „Peanuts“ beschweren und möchten der EU ihre eigenen betrieblichen Herausforderungen zuschieben. Kroes als Verantwortliche für die Digitale Agenda, in deren Zuständigkeit auch die Telekommunikation fällt, wird da noch deutlicher, wenn sie sagt: „Es gibt verschiedene Stadien der Trauer: von Verleugnung über Wut und Feilschen bis zu Akzeptanz. Das gilt auch für Ehescheidungen ebenso wie für Unternehmen, die ihre Cash-Cow verlieren“.