Might & Magic X Legacy im Test: Rollenspiel mit alten Tugenden

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Sasan Abdi
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Legacy auf einen Blick

„Legacy“ kann als Rollenspiel-Antwort auf die auch im Spielebereich weitverbreitete „Früher-war-alles-besser“-These gewertet werden. Dementsprechend zielen die Entwickler auf ein schnörkelloses Gameplay ab, das ältere Zeitgenossen mit dem Angebot aus den 1990er-Jahren verbinden werden.

Rudimentäre Bewegungen

360-Grad-Drehungen und „richtiges“ freies Bewegen gehören deswegen zu den Möglichkeiten, die „Legacy“ explizit nicht bietet. Stattdessen bewegt sich der Spieler in einer frei begehbaren Welt fort, die strukturell über die Aneinanderreihung von Quadraten organisiert ist.

Dabei stellt ein Quadrat auf der Karte im Prinzip einen Schritt dar, der in First-Person-Ansicht gegangen wird. Dies geschieht über die WASD-Tasten, wobei der Spieler sich mit Q und E in vier Stufen nach den Himmelsrichtungen drehen und damit die Blickrichtung bestimmen kann.

Bei diesen Bewegungen sieht es zwar so aus, als steuere man einen Helden – in Wahrheit bezieht sich diese Sicht aber auf die ganze, aus vier Helden bestehende Gruppe, die in „Legacy“ die Abenteuer bestreitet.

Feste Gruppe, statisches Kampfsystem

Für die besagte Gruppe kann der Spieler zu Beginn aus drei Optionen wählen: Er kann die vier vordefinierten Standardmitglieder übernehmen, die Charaktere zufällig erstellen lassen – oder aber selbst Hand anlegen.

In letzterem Fall stehen mit Menschen, Elfen, Zwergen und Orks die gängigen Rassen der Rollenspielwelt zur Verfügung. Diese sind in je eine Nah-, Fern- und Magieklasse unterteilt, wobei sich die Fähigkeiten je nach Rasse unterscheiden. Während ein zwergischer Nahkämpfer beispielsweise zum behäbigen Schildgott weiterentwickelt werden kann, versteht sich ein elfischer Nahkämpfer auf den flinken Klingenkampf.

Diese Wahl sollte mit Umsicht erfolgen, denn die Gruppe bleibt das ganze Spiel über im Kern stabil. Ab und an gesellen sich allerdings questbedingt weitere Charaktere zur Gruppe, die genauso wie die optional angeheuerten Söldner temporär gewisse Vorteile einbringen können.

Aus den unterschiedlichen Kompetenzen ergibt sich, dass der Spieler bei der Gruppenerstellung durchaus tüfteln kann. Zudem wird theoretisch der Wiederspielwert gesteigert, da man im fordernderen von zwei Schwierigkeitsgraden unter Umständen noch einmal ausprobieren möchte, wie sich ein anderer Rassen-und-Klassenmix spielt.

Visuell spürbar sind die unterschiedlichen Fähigkeiten im Kampf allerdings kaum. Die Blockgabe des erwähnten Zwerges wird der Spieler niemals richtig in Aktion sehen; stattdessen kriegt er nach dem Angriff einer Riesenspinne nur mit, wie dieser abgewehrt wurde. Gleiches gilt für den klingentanzenden Elfen: Dieser wird gegen unbewegliche Ziele unter Umständen einfach mehr Schaden anrichten – tanzen sieht man die Klingen aber nie.

Die einzige Dynamik rührt beim Kampfsystem daher, dass man ab und an die Position der Gruppe verändern und sich unterschiedlichen Gegnern zuwenden kann. Das ist auch nötig, weil diese ihre Position ab und an wechseln oder aber von Zaubern und Attacken weggeschleudert werden. Die Reihenfolge der Helden spielt dabei allerdings überhaupt keine Rolle: Die anfälligen Fernkämpfer und Magier können somit nicht einfach hinter dem wuchtigen Zwerg platziert werden. Stattdessen wird der Bonusschutz der Schildtechnik einfach für die ganze Gruppe berechnet.

Im Kampf sieht man sich dem jeweiligen Gegner gegenüber und kann dann durch die Helden schalten, wobei jeder Held pro Runde nur eine Aktion ausführen kann. Will heißen: Zaubern und Nahkampf, heilen und verteidigen sind nicht möglich. Muss eine Zauberin also Mana nachfüllen, ist der Zug mit dem Trank bereits vergeudet.

Daraus ergibt sich trotz aller Statik der alte Charme, den „Legacy“ von Neuem versprüht. Das Gelände will strategisch genutzt werden und der Spieler sollte seine Gegner kennen, um den richtigen Mix aus Zaubern, Nah- und Fernkampfattacken anwenden zu können. Durch die Begrenzung auf eine Aktion je Runde zwingt „Legacy“ den Spieler selbst auf dem einfacheren der beiden Schwierigkeitsgrade schon nach der ersten Stunde dazu, die Vorgehensweise immer wieder zu überdenken und genau abzuwägen – gut so!

Knackige Gegner, kleine Spielwelt

Verstärkt wird die Notwendigkeit zum Nachdenken durch die knackigen Gegner, die in Form von unterschiedlichem Getier immerzu richtig fordernd sind. Zudem ist die KI so weit organisiert, dass die Gruppe immer wieder umstellt wird, wobei Attacken auf den Flanken und im Rücken stärkeren Schaden anrichten. Auch das macht es notwendig, die begrenzten Möglichkeiten zur Bewegung innerhalb der Kämpfe zu nutzen und die Gruppe immer mal wieder neu zu positionieren.

Might & Magic X Legacy
Might & Magic X Legacy

Genauso wichtig ist es, regelmäßig eine der größeren Städte aufzusuchen. Hier lassen sich nicht nur die neuesten Gadgets ein- und die Beute der Streifzüge verkaufen, sondern auch Waffen und Rüstungen reparieren. Außerdem kann man dem neuesten Klatsch lauschen und nach neuen Quests suchen.

Auch wenn man mit „Legacy“ gute 20 Stunden verbringen kann: die Spielwelt ist im Vergleich zur Konkurrenz eher übersichtlich. So spielt sich alles auf einer frei und schnell begehbaren Halbinsel ab, die aber immerhin einige unterschiedliche Gefilde bietet, sodass sich der Spieler beispielsweise sowohl an der Küste als auch in einem Wald austoben kann. Trotzdem, und auch wenn die Welt immer wieder von Dungeons aufgebrochen und mit den erwähnten Städten bestückt ist: ein bisschen größer könnte das Ganze schon sein.

Gelungen ist dagegen, dass das Spiel seinem Retro-Charakter entsprechend ziemlich schwer zugänglich ist. Dies äußert sich darin, dass der Spieler kaum an die Hand genommen wird. Zwar wird noch rudimentär angezeigt, wo die avisierte Quest stattfindet. Was man dazu benötigt, wie genau man vorgehen soll und - manchmal sogar – was genau das Ziel ist, bleibt aber oft diffus.

Etwas Licht ins Dunkle können die Gespräche mit den herumstehenden Nicht-Spieler-Charakteren bringen: Fragt man nach Neuigkeiten und dem letzten Klatsch, erfährt man nicht selten einige weitere Details zu Aufgaben, die man gerade angenommen hat.

Story als Nebensache

Die zugrundeliegende, grob an „Might & Magic: Heroes VI“ anschließende Handlung dient bei all dem nur als minimal sinnstiftender Kitt für das Gameplay: In der Welt von Ashan macht sich eine Gruppe Schatzjäger auf die Suche nach den großen Abenteuern – und trifft dabei auf jede Menge Monster, die eine oder andere Intrige und viele kleine und große Aufgaben.

Es könnte nun argumentiert werden, dass Limbic auch hier dem „Schnörkellos-ist-gut“-Ansatz folgt, denn so waren Rollenspiele früher. Waren sie aber nicht, zumindest nicht per se. Insofern ist es zu kurz gesprungen, die maue Story mit dem bloßen Verweis auf den „Oldschool“-Charakter von „Legacy“ zu erklären. In diesem Punkt erfüllt „Legacy“ die Erwartungen somit nicht.

Akzeptable Technik mit Fehlern

Auch technisch fügt sich „Legacy“ in den selbstdefinierten Rahmen, sodass der Titel durchaus wie eines seiner altehrwürdigen Vorbilder anmutet. Das bedeutet aber auch, dass von einem optischen Feuerwerk nicht die Rede sein kann. Trotzdem stimmt die Atmosphäre, wenn man den Hintergrund und den Anspruch akzeptiert, vor beziehungsweise mit dem „Legacy“ entwickelt wurde.

In puncto Sound- und Sprachumsetzung gibt es praktisch nichts zu bewerten, da Musik und auch Umgebungsklänge nur sehr spärlich eingesetzt werden und die Inhalte ausschließlich über Textfenster transportiert werden.

Erwähnenswert sind allerdings auch einige Fehler. Zum einen ist nicht ganz ersichtlich, weshalb ein Titel wie „Legacy“ nur auf 64-Bit-Systemen die maximale Detailfülle bietet, über relativ anspruchsvolle Hardware-Anforderungen verfügt – und in manchen Situationen tatsächlich maximal die CPU auslastet. Einige dieser Situationen, zum Beispiel Kämpfe an bestimmten Stellen der Karte, aber auch Dialoge in Shops, führten bei uns gar zu Abstürzen auf den Desktop. Darüber hinaus rastete ab und an die Steuerung ein, sodass sich die Gruppe für einige Sekunden automatisch hin und her bewegt, was zusammengenommen hoffen lässt, dass Limbic zeitnah noch einmal Hand anlegen wird.