Breitbandausbau: Die umstrittenen Vectoring-Pläne der Telekom

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Andreas Frischholz
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Vectoring als Brücken-Technologie

Mit dieser Argumentation nimmt die Debatte allerdings eine seltsame Wendung. Denn in der Regel sind es die Telekom-Konkurrenten, die einen freien Wettbewerb zwischen den Unternehmen fordern – und als Vorteil unter anderem die niedrigen Preise für die Endkunden nennen. Dementsprechend wirkt die Argumentation nun auch ein Stück weit irritierend. Zumal die günstigen MagentaZuhause-Angebote auch eine Folge des Konkurrenzkampfes mit den Kabelnetzbetreibern sind, die die Telekom mit Anschlussgeschwindigkeiten von über 100 Mbit/s und günstigen Tarifen unter Druck setzen. So erklärt auch der Konzernsprecher Philipp Blank gegenüber ComputerBase: „Die Telekom muss auf regional unterschiedliche Wettbewerbssituationen reagieren können – in einigen Ballungsgebieten haben wir einen Marktanteil von unter 30 Prozent.

Zumal die Telekom nicht einmal der günstigste Festnetzanbieter ist. Blank verweist auf NetCologne und 1&1, die VDSL-Anschlüsse zu Konditionen anbieten, die noch unterhalb der MagentaZuhause-Tarife von der Telekom liegen. Angesichts dieser Umstände sieht der Bonner Konzern den Beschwerden der Wettbewerber gelassen entgegen.

Ebenso verteidigt die Telekom den Vectoring-II-Antrag. „Die Vorwürfe der Wettbewerber sind sachlich falsch und polemisch“, lautet der Kommentar von Telekom-Sprecher Blank. Der Argumentation ist im Kern bereits bekannt: Von den Vectoring-Plänen würde demnach ein Großteil er 5,9 Millionen Haushalten im Nahbereich um die Hauptverteiler profitieren, weil diese bislang nur VDSL-Anschlüsse mit 50 Mbit/s buchen könnten – zumindest im Festnetz. Denn die Telekom räumt selbst ein, dass bereits zwei Drittel dieser Haushalte auf entsprechende Angebote der Kabelnetzbetreiber zugreifen könnten.

Nichtsdestoweniger werden die Vorteile der Vectoring-Strategie betont. Denn mittelfristig lautet das Ziel, bis 2018 rund 80 Prozent der Haushalte mit bis zu 100 Mbit/s zu versorgen. Angesichts dieses flächendeckenden Ausbaus sei es also absurd, wenn die Wettbewerber von „Rosinenpicken“ sprechen, heißt es in einem Faktencheck.

Zudem wehrt sich die Telekom gegen den Vorwurf, dass es sich beim Vectoring um einen Sackgassen-Technologie handelt, die den Glasfaserausbau ausbremst. Denn die Glasfaser wird im Rahmen des Vectoring-Ausbaus „bis an den Kabelverzweiger verlegt und kommt damit deutlich näher an die Haushalte. So können mit beschränkten Mitteln viel mehr Haushalte schnellere Anschlüsse bekommen, als wenn einige wenige FTTH-Anschlüsse bekommen“, so Telekom-Sprecher Blank.

Vectoring als Gefahr für den Wettbewerb

Das Problem ist nun: Aufgrund der verworrenen Lage lässt sich letztlich nur schwer abschätzen, welche Vorwürfe korrekt sind und welche übertrieben – und zwar nicht nur für außenstehende Beobachter, sondern offenkundig auch für die Bundesnetzagentur. Diese hat die Entscheidung über den Vectoring-II-Antrag bereits mehrmals vertagt hat. Auf Anfrage von ComputerBase heißt es, die zuständige Beschlusskammer führe in dem „genannten Verfahren komplexe Ermittlungen durch. Sie strebt auf der Basis einer umfassenden Interessenabwägung eine zügige Entscheidung an.“ Ein Termin wurde allerdings nicht genannt. Medienberichten zufolge soll die Entscheidung aber womöglich erst im Spätsommer oder sogar erst im Herbst erfolgen.

Ohnehin zeigt sich bei dem aktuellen Streit, wie problematisch das Vectoring für den Breitbandausbau ist. Denn das Problem ist: Lediglich ein Anbieter kann die entsprechende Technologie pro Kabelverzweiger aufschalten. Das Splitten der Teilnehmeranschlussleitung ist zumindest auf physikalischem Weg nicht möglich. Um trotzdem Chancengleichheit und Planungssicherheit für Investitionen zu gewährleisten, hatte die Bundesnetzagentur im letzten Jahr die Vectoring-Liste eröffnet. So sollte es den Netzbetreibern ermöglicht werden, Kabelverzweiger (KVz) im Telekom-Netz für den Vectoring-Ausbau zu reservieren. Erhält ein Anbieter den Zuschlag, müssen die entsprechenden Anschlüsse dann binnen eines Jahres geschaltet werden. Sollten mehrere Netzbetreiber an einem Kabelverzweiger interessiert sein, gilt das „Windhund-Prinzip“: Wer den Vectoring-Ausbau am schnellsten umsetzen will, erhält den Zuschlag.

Vectoring-Technologie
Vectoring-Technologie (Bild: Deutsche Telekom)

Dass der Vectoring-Ausbau so kontrovers diskutiert wird, liegt auch an der politischen Dimension des Themas. Denn im Kern geht es um die Frage: Unterstützen die EU und die Bundesregierung den Vectoring-Ausbau und protegieren damit die ehemaligen Monopolisten wie die Telekom, die immer noch über einen Großteil der Telefonnetze verfügen. Oder setzt man auf Glasfaserausbau und Wettbewerb, von dem insbesondere die Konkurrenten der Ex-Monopolisten profitieren.

Derzeit fehlt es aber noch an einer einheitlichen Linie. So hatte sich EU-Digitalkommissar Günther stets auf die Seite der Branchengrößen geschlagen, während sich die Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eher für einen ausgeglichenen Konkurrenzkampf einsetzt. Dementsprechend ist auch die Entscheidung zu bewerten, dass der Breitbandausbau in Deutschland zwar mit drei Milliarden Euro gefördert werden darf. Doch für Vectoring besteht eine Ausnahme, da ohne Vorleistungsprodukte wie VULA der Wettbewerb zu stark beeinträchtigt wird.

Bei VULA („virtual unbundled local access“) handelt es sich im Kern um einen virtuellen Zugangsdienst. Das bedeutet: Ein Wettbewerber mietet nicht mehr direkt die Teilnehmeranschlussleitung, sondern kauft vielmehr den Datenstrom. Der Anbieter – also in Deutschland etwa die Telekom – muss dafür sorgen, dass die Leitung nicht überbucht und der Datenverkehr nicht gedrosselt wird. Eine physikalische Entbündelung der Teilnehmeranschlussleitungen wäre also nicht mehr nötig. Was vor allem beim Einsatz von Vectoring-Technologie in den Kabelverzweigern äußerst praktisch ist, da es auf diese Weise mehreren Wettbewerbern ermöglicht wird, ihre Dienste zu schalten.