Assassin's Creed Syndicate im Test: Der einzige Star ist die Stadt

Sasan Abdi
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Assassin's Creed Syndicate im Test: Der einzige Star ist die Stadt
Bild: Ubisoft

Vorwort

Neues Jahr, neues Assassin’s Creed: Auch in diesem Herbst bietet Ubisoft mit Syndicate wieder eine neue Ausgabe seiner erfolgreichen Action-Reihe an. Dabei ist der Titel allein schon deswegen besonders, weil er auf das kontrovers diskutierte Unity folgt.

Der Paris-Ausflug von Templern und Assassinen spaltete 2014 die Spielerschaft: Einem Befürworter-Lager standen Kritiker gegenüber, die Unity nicht ohne Argumente und insbesondere unter Verweis auf die zum Start schlampige technische Umsetzung verdammten.

Wir schlossen uns damals aufgrund der insgesamt gelungenen Story und insbesondere wegen der packend in Szene gesetzten Spielwelt der ersten Gruppe an. Für Syndicate stellt sich nun die Frage, ob die Entwickler an diese Kompetenzen anschließen können und dabei auch gleich die berechtigten Kritikpunkte umschiffen konnten.

Versions- & Jugendschutz-Hinweis: Die PC-Version von Syndicate erscheint erst am 19. November. Aus diesem Grund basiert dieser Test auf der PlayStation-4-Ausgabe. Die USK hat den Titel ab 16 Jahren freigegeben.

Spoiler-Warnung: Da ein Spieletest nicht immer gänzlich ohne die Wiedergabe einzelner wichtiger Handlungselemente der Geschichte möglich ist, bitten wir all jene, die vorab nichts über die Handlung des Spiels erfahren möchten, nur das Fazit zu lesen. Wir bemühen uns jedoch stets, die Wiedergabe auf absolut notwendige Erzählelemente zu beschränken.

Bloß nichts verändern

Einen wichtigen Punkt bei der Betrachtung von Syndicate können wir gleich zu Beginn abhaken: Die Revolution des Spielprinzips und grundsätzlichen Ansatzes von Assassin's Creed (AC) wird auch bei dieser Ausgabe nicht im Geringsten betrieben. Wer also jedes Jahr auf’s Neue daran verzweifelt, dass viele große Publisher ihre Marken aufgießen, ohne mutig Hand anzulegen, wird sich auch bei diesem Titel ärgern: Syndicate ist AC, wie es jeder kennt.

Das mag auch daran liegen, dass in diesem Jahr nicht Ubisoft Montreal, sondern Ubisoft Quebec für die Entwicklung verantwortlich zeichnet, schließlich zeigt ein Blick in die Vergangenheit, dass ein umgekrempeltes Entwicklerteam gerade bei großen Marken nicht selten zu einem sehr konservativen Ansatz führt: Bloß nicht zu viel verändern, bloß nicht den Kern der Marke anrühren – so lautet in diesen Fällen häufig der Ansatz, der allerdings nicht per se schlecht sein muss, wenn er denn solide ausgeführt wird.

Flache Charaktere, mäßige Story

Allein, im Falle von Syndicate gelingt gerade dies zumindest in puncto Erzählung und Charaktere nicht. Wo uns Unity, aber auch und gerade ein Black Flag und Assassin’s Creed III mit einer packenden Story ins Geschehen zogen, bleibt die neueste Auflage oberflächlicher.

Dabei kommen wir zunächst auch dieses Mal nicht umhin, das Setting zu loben. Das Paris der französischen Revolution war eindrucksvoll – das London der Industriellen Revolution steht dem in nichts nach. Als Moloch von einer Metropole beherbergt die damals wichtigste Hauptstadt der Welt im Jahr 1886 allerlei zwielichtige Gestalten, Gangster und Hasardeure. Zugleich wächst und wächst die Stadt, sind Entwicklungen wie die Dampfmaschine Fluch und Segen, und für viele Menschen liegen Glück und Elend nah beieinander.

Vor diesem Hintergrund schlüpft der Spieler in die Haut von gleich zwei Hauptcharakteren, den Zwillingen Jacob und Evie Fry. Diese sind, auch wenn optisch ähnlich, charakterlich sehr unterschiedlich: Während Jacob ein draufgängerischer Halodrian ist, präsentiert sich Evie als umsichtige, etwas besserwisserische Taktikerin mit mystischem Touch.

Syndicate - Gangs
Syndicate - Gangs (Bild: Ubisoft)

Mit der Doppelbesetzung reagiert Ubisoft auf die anhaltende Kritik an der Reihe: Frauen spielten bisher in AC aus unerfindlichen Gründen eine nebensächliche Rolle. Der Schritt ist aber nicht nur aus Gründen der Gleichberechtigung, sondern auch inhaltlich erfrischend und das einfach aus dem Grund, weil Jacob viel zu sehr in die Rolle des sympathischen Idioten gezwängt wird. Tieferreichende Überlegungen und halbwegs schlaue Äußerungen wird man in den 40 Stunden, die man mit Syndicate zubringen kann, kaum je von ihm zu hören kriegen. Das wäre erträglich, wenn er denn wenigstens durch passive Mittel, etwa durch seine Vergangenheit, etwas mehr Tiefe kriegen würde. Aber Fehlanzeige.

Bei Evie gestaltet die Situation dank des ein oder anderen knackigen Dialogs schon etwas besser. Doch auch sie bleibt auffallend blass, was schade ist, weil wir uns so nie so wirklich mit den Protagonisten gemeinmachen konnten. Die gleiche Kritik gilt leider auch für die andere Seite. Der Ober-Templer von London, Crawford Starrick, gibt im besten Fall einen soliden 0815-Bösewicht ab. Doch auch hier sucht man vergebens nach Facetten.

Die Standard-AC-Erzählung

Dass Evie etwas mehr überzeugt als Jacob, liegt auch an der Story selbst. Diese folgt ohne allzu große Wendungen und Überraschungen dem typischen AC-Erzählpfad: Die Stadt ist in der Hand der übermächtigen Templer und muss befreit werden. Diese Logik lag vielen Ausgaben der Reihe auf die ein oder andere Weise zugrunde. Nur wurde sie sonst viel verschachtelter und subtiler erzählt. Im Falle von Syndicate machen sich die Storyschreiber diese Mühe kaum. Jacobs Ansatz ist auf dieser Grundlage – und das passt zu seiner einfachen Strickart – die Banden, auf die sich Starrick stützt, kurzerhand mit der Hilfe einer aufzubauenden eigenen Gang zu vertreiben und die Stadt so Bezirk für Bezirk von den Templern zu befreien. Evie, und das macht sie sympathisch, versucht einen etwas anderen Weg zu gehen, indem sie auch der Bedeutung und Macht eines mysteriösen Artefakts folgt.

Immer wieder wird deutlich, was die Entwickler hier beabsichtigt haben: Auf der einen Seite der hemdsärmelige, robuste Jacob, der die Dinge angeht. Auf der anderen Seite die umsichtige, etwas zögerliche Evie, deren Erzählanteile der Story ein wenig mehr Tiefe geben sollen. Schade, dass dies nicht so wirklich gelingt, was in Kombination mit einer mäßigen Story dafür sorgt, dass aus dieser Ecke von Syndicate keinerlei Sogwirkung ausgeht.

Beim Gameplay nicht viel Neues

Um bei den Protagonisten zu bleiben: Problematisch ist auch, dass die Einführung der beiden sich praktisch gar nicht auf das Gameplay auswirkt. Evie und Jacob spielen sich insgesamt sehr ähnlich. Und das obwohl sie eigentlich sehr unterschiedlich sind. Schade, dass man mit Evie nicht tatsächlich besser schleichen und mit Jacob besser auf Rambo machen kann – um nur einen möglichen Ansatz zu erwähnen.

Abgesehen davon lässt sich beim Gameplay festhalten, dass vieles beim Alten bleibt. Die wichtigste spielerische Neuerung ist daher bereits der Greifhaken, mit dem man sich im Falle von zu viel Druck binnen weniger Sekunden aus einer schmalen Gasse auf die Dächer katapultieren kann. Diese Möglichkeit ist verdammt mächtig, weil sie die Assassinen so selbst dort, wo sie bisher verletzlich waren – auf dem Boden – nahezu unbesiegbar machen. Wann immer wir uns auf den Straßen zu sehr bedrängt fühlen, können wir nun mit einem Tastendruck kurzerhand ausweichen.

Syndicate - Greifhaken
Syndicate - Greifhaken (Bild: Ubisoft)

Den Entwicklern waren die dadurch drohenden Gefahren durchaus bewusst. Sie argumentierten mit einer verbesserten KI, die die Macht des Greifhakens relativieren würde. Und tatsächlich: Die Templer-Schergen sind hartnäckiger und folgen unseren Geschwistern häufiger auch in windige Höhen. Entscheidend ist diese Eigenschaft aber nicht, da das Kampfsystem nach wie vor sehr einfach per Tastendruck zur rechten Zeit von der Hand geht. Wer das Timing einmal drauf hat, wird auch in Syndicate zum Superhelden, der selbst von einem Dutzend eigentlich ebenbürtiger Gegner nicht gestoppt werden kann.

Dass sich Syndicate noch leichter spielt als seine Vorgänger, liegt auch daran, dass wir uns dank des Greifhakens weniger mit Parkourslaufen abgeben müssen, da man ja auch auf den Straßen gut klar kommt. Der Fokus bei der Bewegung wird also ein wenig verschoben, was aber niemanden stören sollte: Parkours hatte in AC dank einer sehr, sehr großzügigen Steuerung schon immer einen Autopilot-Charakter. Ein Plus ist allerdings, dass dieses System gefühlt exakter funktioniert als in den Vorgängern.

Eine echte Erfrischung sind, um beim Thema Bewegung zu bleiben, schließlich die Kutschen, die in relativ hoher Zahl in den Straßen der Metropole angetroffen und übernommen werden können. Diese werden auch immer mal wieder in die zumindest im Hauptstrang mit Entführungen, Attentaten und Verfolgungsjagden detailliert ausgeschriebenen Missionen integriert. Wenn wir mal wieder durch die Straßen düsen und Kutschen von Verfolgern rammenderweise dezimieren, ist das vielleicht leicht übertrieben, aber eben auch ziemlich spaßig.