Google Daydream (View) im Test: VR für die Massen mit Fernglas-Sichtfeld

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Jan-Frederik Timm (+1)
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Anforderungen an Apps für Daydream

Wie an die Hardware stellt Google auch an die Software ganz bestimmte Vorgaben, die das Erlebnis trotz der Offenheit der Plattform Daydream auf einem einheitlich hohen Niveau sicherstellen sollen. Anwendungen müssen

  • auf Smartphones, die die Daydream-Anforderungen erfüllen, mit konstant 60 FPS laufen
  • sich vollständige ohne Entnahme des Smartphones aus dem VR-Gestell benutzen lassen und nie in den 2D-Modus wechseln, weil beispielsweise nach der Freigabe der Kamera gefragt wird
  • immer im Landscape-Modus verharren
  • sich immer über den gesamten Bildschirm ohne Menüleisten erstrecken
  • Elemente so platzieren, dass der Anwender sie mit den Augen fokussieren kann
  • den Kopfbewegungen des Spielers jederzeit, auch auf Ladebildschirmen, folgen
  • einen starren Horizont zur Orientierung liefern, sofern es einen Horizont gibt
  • die Kamera unabhängig von den Kopfbewegungen nur dann bewegen, wenn es der Spieler initiiert
  • zur Bedienung und nicht nur zum Start den Daydream-Controller nutzen

Das SDK zur Entwicklung von Apps für Daydream steht Entwicklern bereits seit Mai 2016 zur Verfügung, aber nur Anwendungen von ausgewählten Entwicklern sollen es noch im Jahr 2016 in den Play Store schaffen. Um den Markt nicht schon zu Anfang mit einer unübersichtlichen Anzahl (minderwertigerer) Apps zu fluten, hat Google das Einsenden von Apps für den Play Store in diesem Jahr eingeschränkt.

10 Programme zum Testen

ComputerBase standen für den Test vorab zehn Programme zur Auswahl.

Das neue YouTube VR präsentiert Inhalte mit Fokus auf 360-Grad-Videos in einem virtuellen Heimkino, das dem des SteamVR Desktop Theater Modus ähnelt. Cardboard hat noch die normale YouTube-App genutzt, in der Anwender kompatible Videos manuell in den VR-Modus schalten mussten.

Google StreetView, Photos und Arts & Culture machen die VR-kompatiblen Inhalte der bereits von Android bekannten Programme übersichtlich zugänglich, während Anwender in Google Play Movies Filme am Hang im eigenen Garten unter Sternenhimmel im virtuellen Freilichtkino mit großer Leinwand betrachten können.

Auch die Spiele Hunters Gate, Wonderglade und Mekorama standen zur Verfügung. In Star Chart VR konnte darüber hinaus das Planetensystem erkundet, in WSJ VR die aktuellen Nachrichten in einem Wolkenkratzer-Appartment betrachtet werden.

51 Apps bis Jahresende

Einen Überblick über die bereits verfügbaren Apps und deren Bedienung bietet Google im firmeneigenen Blog. Darüber hinaus hat der Konzern bereits heute 41 weitere Titel angekündigt, die noch bis zum Jahresende erscheinen sollen.

  • BBC
  • CNN VR
  • Fantastic Beasts
  • Hello Mars (UCCVR)
  • IdeaSpace (Wayfair)
  • Invasion! (Baobab)
  • NYT VR
  • Relax VR (Now Technologies Play Ltd)
  • The Rose and I (Penrose)
  • The Turning Forest (BBC )
  • Underworld (The Guardian)
  • VRtually There (USA Today)
  • HBO Go
  • Hulu VR
  • Jaunt
  • NBA
  • NextVR
  • Netflix
  • Action Bowling (Tribal City)
  • Archer E Bowman (VoidAlpha)
  • Arcslinger (Big Red Button)
  • Baskhead (VRLines)
  • Claro (Super Bright)
  • Classroom Aquatic (Sunken Places)
  • Danger Goat (nDreams)
  • Daydream Blue (RalphVR)
  • Earthshape (Bithell)
  • Evil Robot Traffic Jam (Element Games)
  • Frostbound (Schell Games)
  • Gunjack 2: End of Shift (CCP)
  • Home Run Derby (MLB)
  • Keep Talking and Nobody Explodes (Steelcrate Games)
  • Layers of Fear (Aspyr)
  • LEGO Mekorama (Martin Magni)
  • Moatboat (Moatboat)
  • Need for Speed: No Limits VR (EA)
  • PolyRunner (LucidSight)
  • Sisters (Otherworld)
  • Untethered (Numinous)
  • VR Karts (Viewpoint Games)
  • Wands (Nux Studios)

Das breite Spektrum der Apps von dunklen bis zu hellen, von schriftarmen bis zu schriftreichen und von Titeln mit viel zu wenig Interaktion stellte im Test bereits eine gute Basis dar, um die Leistungsfähigkeit von Daydream in Verbindung mit Daydream View und dem Pixel XL zu bewerten.

Einklemmen und los geht's

Daydream zu starten, ist einfach. Ein kompatibles Smartphone mit installiertem Android 7.1 inklusive Daydream muss im entsperrten Zustand lediglich zwischen Brille und Deckel eingeklemmt werden, die Anwendung startet daraufhin automatisch, das Display schaltet auf maximale Helligkeit. Der NFC-Chip zur Übermittlung des Signals „Starte Daydream“ sitzt im Deckel.

Nicht drauf hingewiesen wird der Nutzer aktuell allerdings, dass das Smartphone nur auf einer Seite liegen darf: beim Pixel XL müssen die Knöpfe oben liegen. Andernfalls fordert die gestartet App den Anwender weiterhin dazu auf, das Smartphone einzulegen – was als 2D-Darstellung durch das Brillengestell aber nicht mehr lesbar ist.

Nach jedem Start der Anwendung gilt es, Headset und Controller zu kalibrieren. Dafür wird der Anwender dazu aufgefordert, geradeaus zu blicken und mit dem horizontal ausgerichteten Controller nach vorne zu zeigen – das kann auch neben dem Körper geschehen. Ein Betätigen des Home-Buttons quittiert die Kalibrierung. Wird der Controller dabei zu stark angewinkelt, merkt das Daydream, und fordert zum Nachbessern auf. Nicht immer erkennen wollte die Software im Test aber den Controller selbst, zwei Mal half nur ein Neustart des Pixel XL.

Neu kalibriert werden kann jederzeit in jeder Anwendung. Und das ist auch immer wieder mal notwendig, weil insbesondere der Controller ohne externe Referenz nach vielen Armbewegungen seinen eingestellten Nullpunkt vergisst. Nach vorne zeigen in der Realität ist dann nicht mehr mit nach vorne zeigen in VR identisch.

Daydream weiß, wo das Smartphone klemmt

Gut funktioniert die automatische Anpassung der Darstellung auf dem Display an die Position des Smartphones im Vergleich zu den Linsen. Wird das Smartphone zu stark versetzt eingesetzt, startet Daydream beim Schließen des Deckels erst gar nicht. Wer es drauf anlegt, kann das Pixel XL zwar gerade noch zentriert genug einlegen, dass die App startet, und das Sichtfeld so sichtbar einschränken, weil Daydream die Ansicht schon über den Displayrand hinaus schiebt. Im Alltag kommt das aber nicht vor.

Die folgende Gegenüberstellung zeigt die Darstellung des Startmenüs auf dem Display zum Ausgleich der Position gegenüber den Linsen bis zum Extremfall (Bild 4). Das Smartphone wurde in der Brille sukzessive nach links geschoben, die Darstellung wanderte zum Ausgleich also immer weiter nach rechts. Den Effekt kann man auch bei aufgesetzter VR-Brille nachvollziehen.

Daydream View lässt sich nicht anpassen

Anwender erwartet nach dem ersten Einschalten ein kleines Tutorial, in dem die Basisfunktionen des Controllers erklärt werden. Die Navigation gelingt auf Anhieb. Zum Einstellen der Brille aufgefordert werden Anwender hingegen nicht: Daydream View lässt keinerlei Veränderung am Abstand der Linsen oder zum Ausgleich der Sehschärfe zu.

Daydream schaltet nie ab

Daydream View verfügt im Gegensatz zur Gear VR auch nicht über die Sensorik um zu erkennen, ob das Headset aufgesetzt ist oder nicht. Wer Daydream View absetzt, um eine Pause zu machen, muss deshalb auch das Smartphone aus der Brille nehmen, um die Anwendung zu beenden – andernfalls sinkt die Akkulaufzeit im „Pausenmodus“ weiter rapide. Auch das Ausschalten der App klappt aktuell noch nicht automatisch. Stattdessen muss die VR-Ansicht über ein kleines X in der linken oberen Ecke geschlossen werden. Smartphones von Samsung erkennen wiederum automatisch, wenn sie aus Gear VR entnommen werden, und wechseln zurück auf den Homescreen.

Daydream geht nicht aus, wenn das Pixel entnommen wird
Daydream geht nicht aus, wenn das Pixel entnommen wird