Kanzlei verschickt Streaming-Abmahnungen

Update Andreas Frischholz
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Bis dato haben Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen in erster Linie Filesharing-Nutzer betroffen. Nun wurden allerdings Nutzer einer Streaming-Plattform abgemahnt, berichtet der Anwalt Karsten Gulden im Blog Infodocc. Dabei handelt es sich vermutlich um die ersten Streaming-Abmahnungen.

Die Abmahnung stammen von der Kanzlei U+C Rechtsanwälte, die im Auftrag des Unternehmens „The Archive AG“ tätig war. Betroffen sind Nutzer der Porno-Plattform Redtube, die dort Erotikfilme (u.a. „Amanda`s Secrets“) betrachtet haben, an denen das Unternehmen die Rechte hält. Die Abmahnkosten belaufen sich auf 250 Euro, zudem sollen Betroffene wie üblich eine Unterlassungserklärung abgeben.

Dass der Provider die Auskunft über IP-Adresse und Benutzerkennung herausgeben musste, hatte das Landgericht Köln veranlasst. Noch ist allerdings unklar, ob die Daten juristisch verwertbar sind, schreibt Gulden. Die entsprechenden Daten werden zwar in dem Abmahnschreiben genannt, allerdings geht daraus nicht hervor, mit welchen Verfahren „die Daten gesichert und erhoben wurden, da die Seite in den [Niederlanden] gehostet wird“.

Ebenfalls bestehen grundsätzliche Zweifel, ob Streaming-Abmahnungen überhaupt zulässig sind. In dem Abmahnschreiben argumentiert die Kanzlei, dass beim Streamen eine „technisch notwendige Zwischenspeicherung“ stattfindet, was bereits einer Vervielfältigung entsprechen würde und damit rechtswidrig wäre. Diese Rechtsauffassung ist allerdings umstritten. Denn laut Urheberrecht (§ 44a UrhG) sind „vorübergehende Vervielfältigungshandlungen“ zulässig, sofern diese einen „integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen“ – was beim Streaming der Fall ist. Dass Daten kurzfristig im Cache gespeichert werden, können Nutzer nicht verhindern.

Dennoch handelt es sich um eine Grauzone, die nicht präzise geregelt ist. Daher hängt es letztlich von Urteilen der Gerichte ab, ob Nutzer von illegalen Streaming-Portalen künftig mit Abmahnungen rechnen müssen. Bislang war das nicht der Fall. Selbst nach dem Ende von kino.to wurde in erster Linie gegen die Betreiber ermittelt, die Nutzer blieben verschont. Bei der Bewertung könnte einer der ausschlaggebenden Faktoren sein, ob das Portal offensichtlich auf illegale Inhalte ausgerichtet ist. Beispielhaft würde dafür kino.to stehen, das etwa regelmäßig aktuelle Kino-Blockbuster bereits kurz nach dem Kino-Start angeboten hat. Solche Portale stehen mittlerweile auch auf EU-Ebene unter Beschuss. Rechteinhaber wollen in einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof durchsetzen, dass Provider den Zugang zu Web-Angeboten sperren können, wenn dessen Inhalte gegen das Urheberrecht verstoßen.

Anders sieht es bei Portalen aus, die etwa darauf ausgelegt sind, dass die Inhalte von Nutzern hochgeladen werden – YouTube wäre das populärste Beispiel. In diesem Fall ist der Betreiber zwar verpflichtet, Nutzerinhalte zu sperren, wenn diese gegen das Urheberrecht verstoßen. Grundsätzlich kann das Portal aber nicht als illegales Angebot gewertet werden.

Wie die Regelungen am Ende ausfallen, müssen allerdings Richter entscheiden. Ist man nun von einer Streaming-Abmahnung betroffen, raten Anwälte aufgrund der unsicheren Rechtslage davon ab, die Unterlassungserklärungen zu unterschreiben. Stattdessen soll zunächst ein auf Abmahnungen spezialisierter Anwalt befragt werden. Eine bundesweite Übersicht mit entsprechenden Kanzleien bietet die Interessensgemeinschaft gegen AbmahnWahn.

Update

Die auf die Verteidigung von abgemahnten Filesharing-Teilnehmern spezialisierte Anwaltskanzlei Wilde Beuger Solmecke geht davon aus, dass über 10.000 Personen von der Abmahnung betroffen sind. Über 600 Betroffene hätten sich bereits telefonisch an die Kanzlei gewandt.

In der Zwischenzeit verdichten sich Hinweise darauf, dass die IP-Adressen der abgemahnten Nutzer des Streaming-Dienstes über Schadsoftware auf den Rechnern der Anwender ermittelt worden ist. Auf Nachfrage gaben zahlreiche Betroffene an, einen Virus auf ihrem Rechner gefunden zu haben, der sich im Browser Firefox eingenistet hatte. Für die ermittelten IP-Adressen sei dann bei den Providern die Herausgabe der Personendaten beantragt worden. Wer hinter dem Virus steckt, ist bisher nicht bekannt.