NSA-Ausschuss: Der Bundesnachrichtendienst als Pony der NSA

Andreas Frischholz
24 Kommentare
NSA-Ausschuss: Der Bundesnachrichtendienst als Pony der NSA
Bild: Laura D'Alessandro | CC BY 2.0

Während es sich bei der NSA um einen Elefant handelt, ist der Bundesnachrichtendienst (BND) ein Pony – so beschreibt der ehemalige BND-Präsident August Hanning das Machtverhältnis zwischen dem deutschen und dem amerikanischen Geheimdienst. Nichtsdestotrotz verteidigt er die Kooperation bei der Befragung im NSA-Ausschuss.

Geheimdienste und das nationale Recht

Hanning zählt zu den prominenten Zeugen, da er von 1998 bis 2005 BND-Präsident und anschließend bis November 2009 Staatssekretär im Bundesinnenministerium war. Dementsprechend startete während Hannings Amtszeit das Überwachungsprogramm im Standort Bad Aibling, bei dem die NSA illegale Suchbegriffe eingeschleust hatte, um sowohl deutsche als auch europäische Politiker und Firmen auszuspionieren. Von Spionage-Aktivitäten, die sich gegen deutsches Interesse richten, will er allerdings nichts gewusst haben.

Dabei räumt Hanning offen ein, dass die NSA auch europäische Firmen wie EADS ins Visier nimmt. Dann gehe es allerdings in erster Linie um Bereiche wie etwa Proliferation – also die Kontrolle von Waffengeschäften. Demnach könnten auch deutsche Unternehmen betroffen sein, wenn diese etwa einen Standort im Iran haben. Überraschend sei das allerdings nicht, sondern vielmehr üblich. „Der BND macht das ja auch“, erklärte Hanning laut dem Live-Ticker von Netzpolitik.org.

Ebenso wenig scheint es den ehemaligen BND-Chef zu verärgern, dass die NSA seit Jahren das Kanzleramt, Ministerien, Behörden und sogar den BND überwachen soll. „Jeder, der offen kommuniziert, muss damit rechnen, abgehört zu werden“, so Hanning. Ein viel größeres Problem sei daher die „schlechte Sicherheitskultur“ in Deutschland, da zu viel über ungeschützte Leitungen kommuniziert werde. Für ausländische Geheimdienste wäre das praktisch eine Einladung. Dass etwa die NSA bei solchen Spionage-Aktivitäten gegen deutsche Gesetze verstößt, ist für ihn nicht allzu gravierend. Stattdessen entspreche das dem üblichen Vorgehen der Geheimdienste – und das gelte auch für den BND. „Natürlich verletzen wir nationales Gesetz, wenn wir chinesische Unternehmen ausspähen“, so Hanning.

Hilfe der NSA ist „unentbehrlich“

Darüber hinaus bezeichnet er die Zusammenarbeit mit der NSA ohnehin als „unentbehrliche Hilfe“. So war der BND etwa Anfang der 2000er Jahre technologisch im Rückstand und drohte abgehängt zu werden. Mit der Zunahme des Internet-Datenverkehrs und den Ausbau neuer Glasfasernetze war der deutsche Geheimdienst damals überfordert – und wäre aufgrund der begrenzten Ressourcen auch nicht in der Lage gewesen, aus eigener Kraft aufzuholen. Trotz der Hilfe sei die NSA technisch aber weiterhin unendlich überlegen, sodass die Machtverhältnisse laut Hanning wie folgt aussehen: „Die Amerikaner sind der Elefant, wir sind das Pony.“ Doch zumindest in einigen Bereichen konnte der BND punkten. „Wir waren in Teilbereichen so gut, dass auch die NSA gestaunt hat“, so der ehemalige BND-Chef.

Eine Aussage, die sogar schon durch NSA-Enthüllungen bestätigt wurde. Demnach soll der BND bereits im Jahr 2008 in der Lage gewesen sein, Glasfaserkabel mit einem Datendurchsatz von 40 Gbit/s und 100 Gbit/s zu überwachen. Das beeindruckte sogar den britischen GCHQ, dessen Tempora-Programm damals noch in den Kinderschuhen steckte und auf 10 Gbit/s beschränkt war. Laut den Snowden-Dokumenten hat der GHCQ den Rückstand im Laufe der Jahre aber aufgeholt, bei Tempora handelt es sich mittlerweile um eines der größten Überwachungsprogramme der westlichen Geheimdienste.

BND-Überwachung im „rechtlichen Nirwana“

Die Kernthese von Hanning lautet allerdings: „Der BND hält sich strikt an Recht und Gesetz.“ An dieser Aussage bestehen jedoch erhebliche Zweifel – vor allem nach den jüngsten Sitzungen im NSA-Ausschuss sowie den zahlreichen Enthüllungen in den letzten Monaten. Zumal der Geheimdienst kaum zu kontrollieren ist, wie der ehemalige Kanzleramt-Mitarbeiter Joachim Mewes bei der Befragung am Donnerstag bestätigte. Erkennen ließe sich das bereits am zahlenmäßigen Missverhältnis: Im BND arbeiten rund 6.000 Personen, während im Kanzleramt etwa 30 Mitarbeiter für die Aufsicht zuständig sind. Und diese stammen teilweise sogar aus den Reihen des Geheimdienstes.

Ob das die ideale Lösung für die Dienstaufsicht ist, weiß ich nicht“, erklärte Mewes, der von 1999 bis 2008 im Kanzleramt arbeitete und unter anderem für die G10-Genehmigungen zuständig war. Mewes musste in dieser Zeit prüfen, ob der BND die Kommunikation von deutschen Staatsbürgern überwachen darf. Weil diese vom Grundgesetz geschützt ist, sind solche Überwachungsmaßnahmen nur erlaubt, wenn konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Eine gründliche Überprüfung soll aber in den meisten Fällen nicht möglich gewesen sein, weil der BND eine „Eilbedürftigkeit“ anmeldete – die Kontrolle erfolgte also in Hauruck-Manier.

Noch düsterer sollen die Kontrolle aber bei dem Routine-Verkehr ausfallen. So wird die Kommunikation bezeichnet, die ausschließlich zwischen Ausländern stattfindet und damit nicht vom Grundgesetz geschützt ist. Mewes beschreibt die Überwachung in diesem Bereich als „rechtliches Nirwana“ und als „Dunkelfeld“, das „sich keiner so richtig angesehen hat“. Ein wirkliches Problem stellt das für ihn aber offenkundig nicht dar, schließlich sei der BND „eine Behörde der besonderen Art“.

Wie problematisch die Unterscheidung in der Praxis ist, verdeutlichten Programme wie Eikonal, das bis 2008 lief. Damals bereitete es dem BND einige Schwierigkeiten, die Kommunikation von deutschen Staatsbürgern aus den Datensätzen zu filtern, die an die NSA übermittelt wurden. Und die Filterprogramme sind nach wie vor ein wunder Punkt in der Überwachungsmaschinerie des deutschen Geheimdienstes.