BND-Reform: Warnung vor einer deutschen NSA

Andreas Frischholz
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BND-Reform: Warnung vor einer deutschen NSA
Bild: inyucho | CC BY 2.0

Die umstrittene BND-Reform beschäftigt den Bundestag: Während vor der Tür eine Schar von Demonstranten gegen das Vorhaben der Bundesregierung protestierte, fand im Reichstagsgebäude eine Anhörung von Experten statt. Eine der Erkenntnisse: Bei der BND-Reform ist noch vieles im Argen.

Laut Netzpolitik.org waren es 40 bis 80 Menschen, die unter dem Motto „Nein zur deutschen NSA“ gegen die BND-Reform protestierten. Der Vorwurf von Bürgerrechtsgruppen wie der Digitalen Gesellschaft lautet: Statt Lehren aus den Snowden-Enthüllungen zu ziehen, legalisiere die Bundesregierung lediglich den Status Quo. Also kein Ende der massenhaften Überwachung, vielmehr könne der BND nun ein Telekommunikationsnetz vollständig abhören – und nicht mehr 20 Prozent der Kapazitäten einer Leitung, wie es bisher der Fall war. Legitimiert werde zudem auch, dass der BND künftig Datenbanken mit Partnerdiensten wie der NSA betreiben kann, um personenbezogene Daten auszutauschen.

Ebenso kritisiert Reporter ohne Grenzen: „Deutsche dürfte der BND im Rahmen seiner massenhaften Filterung von Kommunikationsdaten nicht überwachen, Europäer nur eingeschränkt, Bürger von Drittstaaten hingegen immer dann, wenn dies die ‚Handlungsfähigkeit‘ Deutschlands sicherstellen oder ‚Erkenntnisse von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung‘ bringen kann.“ Somit könnten dann auch Journalisten schnell in das Visier des Geheimdienstes geraten, wenn sie etwa mit Informanten über politische brisante Themen sprechen.

Während der Demonstration sprachen auch Vertreter der Oppositionsparteien. Den Abgeordneten Martina Renner von der Linken und Konstantin von Notz von den Grünen wurde zudem die Petition mit 4.300 Unterschriften übergeben.

Disput im Allgemeinen: Der universelle Anspruch des Grundgesetzes

Nun ist es nicht nur ein breites Bündnis aus Opposition und Bürgerrechtsgruppen, das die BND-Reform ablehnt. Auch während der Experten-Anhörung gab es zahlreiche kritische Stimmen. Prof. Matthias Bäcker vom Karlsruher Institut für Technologie hält den Gesetzentwurf in „seiner Gesamtheit für verfassungswidrig“, weil dieser auf der Grundthese beruht: Der grundrechtliche Schutz für Ausländer ist weniger hoch als für Bundesbürger. Das gelte insbesondere für die „Ausland-Ausland-Aufklärung“ – also dem Anzapfen der Leitungen samt dem massenhaften Sammeln und Auswerten von Daten.

Die Grundrechte hätten allerdings einen universellen Charakter. „Es gibt keinen einleuchtenden Grund, warum Ausländer im Ausland schlechter geschützt sind“, so Bäcker. Es ist eine These, die mittlerweile zahlreiche Juristen vertreten – dazu zählt etwa auch Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts.

Allerdings gibt es auch Gegenstimmen. Juristen wie der ehemalige Bundesverwaltungsrichter Kurt Graulich vertreten die Auffassung, dass sich solch ein globaler Geltungsanspruch des Grundgesetzes nicht aus den jüngsten Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ableiten lässt. Vermutlich werden es also erst die Richter in Karlsruhe sein, die irgendwann diese Frage beantworten müssen.

Disput im Speziellen: Die Fristen der BND-Vorratsdatenspeicherung

Generell lautet eine der Erkenntnisse aus der Anhörung: Mit klassischen Rechtsvorgaben lässt sich die Geheimdienst-Arbeit im 21. Jahrhundert kaum noch erfassen. Das gilt allerdings nicht nur für allgemeine Punkt wie die Reichweite der Grundrechte, auch die Details sind umstritten.

Beispielhaft steht dafür die BND-Vorratsdatenspeicherung von Verkehrsdaten. In diesem Punkt lautet etwa die Einschätzung von Prof. Bäcker: Inhaltsdaten dürfe der BND nur mit Suchbegriffen erheben, was zwar noch „nicht hinreichend“ ist – aber zumindest gebe es eine Regelung. Bei den Verkehrsdaten fehle so ein Ansatz, die könne der BND für sechs Monate speichern und auswerten, ohne dass konkrete Vorgaben existieren. An dieser Stelle müsse die Bundesregierung noch nachbessern.

Die andere Seite des politischen Spektrums vertritt in diesem Fall der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler. Seiner Ansicht nach ist die Speicherfrist für Verkehrsdaten mit sechs Monaten zu knapp, um etwa nach Anschlägen terroristische Netzwerke aufzuspüren. Schindler empfiehlt daher zwei Jahre als Frist, aufgeteilt in einen aktiven und einen passiven Datenbestand. Aktiv sind die Verkehrsdaten demnach für ein Jahr, in dieser Zeit kann der BND ohne externe Kontrolle auswerten. Während der passiven Speicherzeit im zweiten Jahr müsste hingegen erst das Bundeskanzleramt ein OK geben, damit der BND diese Daten auswerten darf.

Wie kontrolliert man einen Geheimdienst?

Wie sich der BND sinnvoll kontrollieren lässt, ist eine weitere der viel diskutierten Fragen. Die Bundesregierung will mit der Reform ein „unabhängiges Gremium“ schaffen, um die Ausland-Ausland-Aufklärung zu beaufsichtigen. Vertreter der Opposition und Netzaktivisten befürchten nun, dass die parlamentarische Kontrolle damit weiter zersplittert und noch mehr Lücken entstehen, als es ohnehin schon der Fall ist.

Unter den Experten warnt nun auch Thorsten Wetzling von der Stiftung Neue Verantwortung: Mit dem aktuellen Gesetzentwurf bestehe die Gefahr, dass der BND „weiterhin ein Eigenleben führt und Fehler mit erheblichem diplomatischem und strategischem Flurschaden“ anrichtet. Prof. Heinrich Amadeus Wolf von der Universität Bayreuth bezeichnet dieses unabhängige Kontrollgremium sogar als verfassungswidrig, weil die Mitglieder nicht vom Parlament ernannt werden. „Die Bundesregierung sucht sich ihre Kontrolleure selbst aus“, lautet die Kritik von Wolf.

Keine klare Antwort gab es allerdings auf die Frage, ob ein neues Gremium überhaupt erforderlich ist oder nicht doch lieber die bestehenden aufgerüstet werden sollten. Übereinstimmend wurde lediglich erklärt: Die BND-Kontrolle müsse effizienter werden. Ein Punkt, den sogar der ehemalige BND-Präsident Schindler explizit unterstützt. Er spricht sich daher übrigens gegen ein viertes Kontrollgremium aus.

Zeitplan: BND-Reform noch im Oktober beschließen

Geht es nach dem Willen der Großen Koalition, soll das BND-Gesetz noch im Oktober vom Bundestag beschlossen werden. Inkrafttreten sollen die neuen Regelungen dann am 1. Januar 2017.