Linux-Jahresrückblick 2016: Viele Fortschritte zum 25. Jubiläum

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Ferdinand Thommes
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Distributionen im Wandel

Bereits vor einigen Jahren begann in der Distributions-Szene ein Wandel, der durch ein Umdenken im Licht der sich wandelnden Software-Szene allgemein einige Distributionen zu Veränderungen veranlasste, die 2016 sichtbare Früchte trugen. Allen voran ist hier Red Hats Hexenküche zu nennen, die mit Fedora Workstation 25 vor wenigen Wochen die wohl wichtigste Veröffentlichung einer Linux-Distribution 2016 zu den Anwendern brachte.

Fedora gebührt die Krone

Die überragende Qualität von Fedora 25 wurde durch die seit Fedora 21 im Rahmen des Projekts Fedora Next umgesetzte Aufteilung in Workstation, Server und Cloud möglich, die neben der besseren Fokussierung auf die Zielgruppe auch stabilere Veröffentlichungen mit sich brachte. Ebenfalls seit Fedora 21 testet die Distribution das Display-Protokoll Wayland, das Fedora als erste Distribution mit Version 25 seinen Nutzern als Standard und Ersatz für den herkömmlichen X-Server Xorg anbietet. Zusammen mit weiteren Neuerungen kann Fedora mit Fug und Recht auch als die innovativste Mainstream-Distribution unserer Zeit bezeichnet werden.

Fedora 25
Fedora 25 (Bild: Fedora)

Der Wandel ist damit aber keinesfalls dem Stillstand gewichen, denn Anfang Dezember hat Projektleiter Matthew Miller eine Diskussion über den Release-Zyklus und die weitere Ausrichtung der Distribution losgetreten. Anhand der Analyse der aktuellen Downloadzahlen sieht er es als günstiger an, wenn Fedora nur eine Veröffentlichung pro Jahr herausbringt anstatt zwei. In der anschließenden Diskussion ging es aber auch um Fedora als Rolling Release mit rigider Qualitätskontrolle (QA) und darum, dass Fedora Server und Project Atomic eigentlich überflüssig seien, da von anderen Anbietern bessere Alternativen bereitstünden.

Erfolgreicher Wandel auch bei openSUSE

Auch SUSEs Community-Distribution openSUSE fand sich vor zwei Jahren auf Identitätssuche. Der damalige Community-Manager Jos Poortvliet stellte damals treffend fest, openSUSE mache von jedem ein wenig, stelle damit alle ein wenig zufrieden, mache aber niemanden richtig glücklich. Der Sprung hin zu Leap stellte ein neues Konzept vor, das den Paketbestand zweiteilt.

Leap 42.2
Leap 42.2 (Bild: SUSE)

Die solide Basis soll von der Unternehmensversion SUSE Linux Enterprise (SLE) kommen, während Kernel und Anwendungen aktuell gehalten werden. Mittlerweile ist im Oktober mit Leap 42.2 die aktuelle Ausgabe der früher als openSUSE bekannten Distribution freigegeben worden und das Konzept scheint aufzugehen. Das Projekt machte 2016 einen recht lebendigen Eindruck und veröffentlichte zum Jahresende die erste Raspberry-Pi-Umsetzung für die 64-Bit-Plattform überhaupt.

KDE, GNOME und XFCE glänzen

Neon beleuchtet Plasma

KDE feierte 2016 seinen zwanzigsten Geburtstag. Eine neue Distribution, die eigentlich keine sein will, wurde im Januar erdacht und im Februar gestartet. Das Projekt Neon von KDE-Entwickler Jonathan Riddell basiert auf dem jeweils letzten Ubuntu LTS und will die aktuellsten Entwicklungen aus KDE für Entwickler und Anwender als Pakete anbieten. Dazu werden zwei Stränge verfolgt. Entwickler erhalten ein Image, das den neuesten Code aus Git paketiert. Anwender erhalten die neuesten bereits veröffentlichten Pakete auf einem eigenen Image.

Mehr bringt Neon nicht mit, der Rest bleibt dem Anwender vorbehalten. Von daher ist die Frage durchaus berechtigt, ob es wirklich eine Distribution ist, dessen ungeachtet verwenden es viele Nutzer als solche. Die Ironie dabei ist, dass der von Canonical wegen eigener Meinung gefeuerte frühere Kubuntu-Chefentwickler Riddell sich für Ubuntu LTS als Basis entschied. Der Wunsch nach einer lange unterstützten Basis, die jeder kennt, überwog in professioneller Manier den Ärger über seinen Rauswurf.

Gerade hat Neon eine dritte Variante aufgelegt. Dazu kommt Plasma 5.8 in der LTS-Version zum Einsatz, alles andere ist wie in den anderen beiden Editionen.

KaOS
KaOS (Bild: KaOS)

KDE im Chaos?

Die Krone der diesjährigen Veröffentlichungen rund um KDE gebührt aber klar der kleinen Distribution KaOS, die ihrem Namen so gar keine Ehre bereitet und allerneueste KDE-Entwicklungen stabil paketiert und liebevoll präsentiert darbietet. Dabei ist KaOS nicht für jedermann, wie die Webseite des Projekts verrät. Die Auswahl an Paketen ist beschränkt, da alle Pakete selbst gebaut werden. Für den normalen Hausgebrauch reicht der Paketbestand oft jedoch völlig aus. Wenn nicht, bietet Pacman als Paketmanager dem einzelnen Anwender und der Community eine einfache Möglichkeit, im Rahmen des bei KaOS entwickelten Buildsystems KaOS Community Packages (KCP) benötigte Pakete selbst zu erstellen.

Xfce blüht im Verborgenen

Die Desktop-Umgebung Xfce blüht angesichts von Platzhirschen wie KDE und GNOME immer etwas im Verborgenen. Das mag auch daran liegen, dass die Entwicklung nur sehr langsam und behutsam voranschreitet. Trotzdem oder gerade deswegen hat die eher leichtgewichtige Umgebung viele Anhänger. Wenige Distributionen haben sich alleine auf Xfce verlegt, eine davon ist MX.

Dabei handelt es sich um eine Zusammenarbeit von Entwicklern von antiX und Mepis. Gerade ist MX 16 erschienen, das wie der Vorgänger ausschließlich Xfce als Desktop anbietet.