Leistungsschutzrecht: 8 Wörter lassen sich frei verwenden

Andreas Frischholz
96 Kommentare
Leistungsschutzrecht: 8 Wörter lassen sich frei verwenden
Bild: geralt | CC0 1.0

Die von der EU beschlossene Urheberrechtsreform mit den umstrittenen Upload-Filtern sowie dem Leistungsschutzrecht tritt eigentlich erst im Juni 2021 in Kraft. Die Bundesregierung hat es zumindest beim Leistungsschutzrecht eilig, aktuell kursiert bereits ein Referentenentwurf, der strikte Vorgaben macht.

Das Leistungsschutzrecht besagt im Kern: Online-Dienste wie Suchmaschinenbetreiber, News-Aggregatoren und soziale Netzwerke sollen Lizenzgebühren an Presseverlage zahlen, wenn Inhalte aus den Online-Angeboten in den Suchergebnissen auftauchen. Es ist also ein neuer Anlauf für das Vorhaben, das die Bundesregierung in Deutschland bereits 2013 beschlossen hat und das faktisch als gescheitert gilt.

8 Wörter sind frei

Einer der größten Streitpunkte sind die Ausnahmen vom Leistungsschutzrecht: Also der Textbereich und die Bilder – die sogenannten Snippets –, die Online-Dienste darstellen können, ohne dass Gebühren fällig sind. Im alten Gesetz hatte die Bundesregierung geregelt, dass „einzelne Wörter und kleinste Textausschnitte“ nicht durch das Leistungsschutzrecht geschützt sind. Präzisiert wurde das aber nicht und bis heute ist nicht abschließend geklärt, was genau damit gemeint ist – einer der Gründe, warum das Leistungsschutzrecht in Deutschland scheiterte.

Bei der Umsetzung des EU-Rechts will die Bundesregierung nun offenbar alte Fehler vermeiden. Wie Heise Online unter Berufung auf den Referentenentwurf aus dem Justizministerium berichtet, sind acht Wörter nicht lizenzpflichtig. Die können Online-Dienste also vergütungsfrei übernehmen. Damit orientiert man sich an der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts, das im Streit zwischen Google und der VG Media – der Verwertungsgesellschaft der Presseverlage – eine Freigrenze von sieben Wörtern vorgeschlagen hatte. In der Praxis umgesetzt wurde das aber auch nicht.

Ausnahmen für Fakten und Private

Neben der 8-Wörter-Regelung gibt es noch weitere Ausnahmen. So greift das Leistungsschutzrecht nicht für in den „Presseveröffentlichungen enthaltenen Tatsachen“ – Fakten an sich sind also nicht geschützt, sondern nur die Art, wie ein Presseverlag die Inhalte „aufnimmt und der Öffentlichkeit“ vermittelt. Eine weitere Ausnahme besteht für das Setzen von Hyperlinks, für die das Leistungsschutzrecht ebenfalls nicht greifen soll. Die private oder nicht-kommerzielle Nutzung von Presseinhalten ist ebenfalls gestattet. Das soll etwa für private Twitter-Nutzer gelten, obwohl es sich beim Kurznachrichtendienst selbst um eine kommerzielle Plattform handelt.

Was vor einigen Wochen in einem früheren Entwurf für Aufsehen sorgte, war die Vorgabe von 128 mal 128 Pixel. So hoch aufgelöste Bilder hätten Online-Dienste demnach ebenso wie „Ton- und/oder Bildfolgen“ mit einer Dauer von bis zu drei Sekunden aus den Inhalten der Verlage übernehmen können. Doch diese Regelung wurde nun gestrichen, es gibt nun keine klar definierte Ausnahme mehr für Bilder oder Video-Teaser.

Laut Heise Online heißt es aber in der Begründung des Referentenentwurfs, dass die Text-Ausnahmen sich auch auf Bilder und Videos beziehen können. Konkrete Vorgaben für multimediale Snippets will die Regierung aber aufgrund des technischen Fortschritts vermeiden, da sich etwa Standards für Bilder und audiovisuelle Inhalte stets weiterentwickeln würden.

Upload-Filter-Regelung lässt auf sich warten

Was der Referentenentwurf ansonsten noch regelt, sind etwa die Anteile der Urheber: Die sollen an den Einkünften der Verlage aus dem Leistungsschutzrecht beteiligt werden. Auf der anderen Seite sollen die Verlage einen Anteil von den Vergütungen erhalten, die Urheber über Verwertungsgesellschaften einnehmen.

Vollständig abgedeckt wird die EU-Urheberrechtsreform mit diesem Entwurf aber nicht. Außen vor bleiben etwa die verschärften Haftungsregeln für Online-Plattformen (Artikel 17), die die Betreiber vermutlich dazu zwingen, Upload-Filter einzusetzen. Es ist also die Regel, die im Vorfeld der Reform zu massiven Protesten führte. Bei den Demonstrationen versammelten sich mehr als 100.000 Menschen auf den Straßen.

Erstaunlich war zudem die Veröffentlichung dieses Referentenentwurfs. Am 1. April war er auf der Transparenzplattform für neue Gesetzesvorhaben publiziert, auch die ehemalige EU-Abgeordnete Julia Reda teilte Passagen auf Twitter. „Auf den ersten Blick handelt es sich um eine Verschlimmbesserung“, lautet ihre Einschätzung. So könne etwa der Wegfall der 128-mal-128-Pixel-Regelung dazu führen, dass überhaupt keine Ausnahmen mehr für Vorschaubilder existieren.

Dann verschwand der Entwurf allerdings wieder. Auf Anfrage von Heise Online wollte sich das Bundesjustizministerium zu den Vorgängen nicht äußern. Vermutet wird, dass der Entwurf zu früh online ging. Bei so einem Referentenentwurf aus einem Ministerium steht noch die Abstimmung mit weiteren Ressorts an. Es ist aber absehbar, dass die Bundesregierung bald den finalen Entwurf vorlegt.