Crysis Remastered im Test: Einfach enttäuschend

Wolfgang Andermahr (+1)
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Crysis Remastered im Test: Einfach enttäuschend

tl;dr: Crysis ist 2007 ein Technik-Meilenstein gewesen: Optisch bahnbrechend, zwang der Titel auch die schnellsten Systeme in die Knie. „Can it run Crysis?“ wurde zum geflügelten Wort. Crysis Remastered soll an alte Erfolge anknüpfen, scheitert dabei aber auf ganzer Linie. Die Umsetzung ist einfach nur schlecht.

Die Erwartungen waren hoch

Als Crysis im Jahr 2007 erschien, war der Titel allen anderen Spielen grafisch gefühlt um Jahre voraus. Da hat es dann auch kaum einen gestört, dass die Anforderungen an die Hardware extrem hoch waren. But can it run Crysis? wurde zum geflügelten Wort, das auch heute noch liebevoll genutzt wird.

Als Crytek dann bekannt gab, dem aktuellen Remaster-Trend mit Crysis zu folgen, war der Hype entsprechend groß. Viele Spieler haben sich darauf gefreut. Ein neuer Grafikkracher mit zu Recht brachialen Anforderungen schien in Sicht. Schließlich sollte das höchste Grafik-Preset den Titel „Can it run Crysis?“ tragen.

Doch der erste Trailer zum Spiel fiel enttäuschend aus und die Entwickler haben den Erscheinungstermin daraufhin noch einmal verschoben. Aber auch die zusätzlichen Wochen Entwicklungszeit haben dem Titel nicht gutgetan. Ganz im Gegenteil: Crysis Remastered ist eine einzige Enttäuschung.

Gezielt parallel zu GeForce RTX 3000?

War es also Zufall, dass das Spiel parallel zur GeForce RTX 3000 erschienen ist? Nicht nur Spieler hatten dieser Tage andere Themen im Blick, auch Redaktionen weltweit wussten sich vor Arbeit nicht mehr zu retten – und ließen Crysis vorerst links liegen. Weil allerdings auch abschreckenden Beispielen mediale Aufmerksamkeit gebührt, hat sich ComputerBase den Titel mit etwas Abstand jetzt trotzdem noch im Detail angesehen.

Probleme, so weit das Auge reicht

Die Neuauflage von Crysis scheitert an der Summe der Fehltritte, nicht an einem einzigen Problem. Am besten kommt dabei noch das Basisspiel selbst weg, denn es funktioniert auch 13 Jahre nach dem Original noch gut und macht Spaß. Doch alles drum herum ist eine ziemliche Katastrophe.

Auch spielerisch macht Crysis Remastered dabei ein paar Dinge anders als das Original. Manches kann im Optionsmenü abgeschaltet werden, anderes bleibt dagegen durchweg anders. So läuft die Spielfigur in der Neuauflage zum Beispiel deutlich langsamer als noch 2007. Daran scheitert es aber nicht.

Ein Level fehlt, die Technik hakt

Ein dickes inhaltliches Ding ist hingegen der Verzicht auf einen Level. Da Crysis Remastered nicht auf der PC-Version, sondern auf der Jahre später erschienenen Konsolenfassung basiert und diese aufgrund zu hoher Hardware-Anforderungen auf ein Kapitel gegen Ende des Spiels verzichtet, fehlt dieses auch im Remaster.

Richtig schlimm wird es aber, wenn auf die Technik geschaut wird, die auf dem Papier noch zu überzeugen weiß: Crysis Remastered setzt auf eine aktuelle Version der hauseigenen Cryengine und bietet gegenüber dem Original zahlreiche neue Features. Eine deutlich bessere Kantenglättung, viele neue Effekte und auch Hardware-unabängiges Raytracing sind mit dabei.

Gut sieht Crysis Remastered aber trotzdem nicht aus. Die deutlich veränderte Lichtstimmung, die vor allem bei Tageslicht vieles überstrahlt, ist noch Geschmackssache. Auch der draußen gerne herrschende Dunst, der die Sichtweite einschränkt, das Licht bei Nacht oder kleinere Bugs, durch die das Grafikmenü ungewünscht selbstständig agiert, sind jeweils für sich genommen nicht das Problem.

Die Performance ist katastrophal

Aber die Kombination aus allem und dazu die schlicht unterirdische Performance sind einfach zu viel des Guten. Nicht nur die völlig sinnlose, da optisch quasi nicht schönere Grafik-Einstellung „Can it run Crysis?“ erzeugt auf jeder Hardware eine niedrige Framerate, auch die reduzierten Einstellungen bringen erst bei deutlichen optischen Einschnitten Besserung.

Auffällig ist, dass sich das Spiel in vielen Außenszenen offenbar unglaublich schwertut, die Grafikkarte auch nur im Ansatz auszulasten. 50 Prozent GPU-Last bei einer miesen Framerate sind auf einer GeForce RTX 3080 keine Seltenheit. Passend dazu kann Crysis Remastered gerade einmal vier CPU-Threads auslasten. Offenbar muss die Engine Dinge erledigen, zu der sie einfach nicht gedacht ist.

Die problematische CPU-Auslastung hat auch Crytek bemerkt. Eine „Lösung“ ist es dann gewesen, dass die Vegetation nach einem Patch plötzlich nicht mehr auf Beschuss reagiert. Bäume lassen sich zwar immer noch mit einem MG „fällen“, die ganzen Büsche reagieren aber gar nicht mehr auf Kugeln. Dabei ruckelten die Animationen bereits vor dem Update, da ihre Framerate offenbar auf 30 FPS limitiert gewesen ist. Im Jahr 2007 gab es im Original dagegen auf dem PC eine ruckelfreie Vegetation.

Auch die Frametimes sind so eine Sache. Crysis Remastered läuft nicht nur langsam, sondern auch unrund. Teilweise sind die Frametimes in dem Spiel sehr gut, dann wieder trotz keinerlei Änderung bei Hardware, Einstellungen und Testszene wieder richtig schlecht. Das Problem tritt dabei primär in niedrigen Auflösungen bei schnelleren Grafikkarten auf. Je mehr die CPU limitiert, desto problematischer sind die Frametimes. Limitiert dagegen ausschließlich die Grafikkarte, sind die Frametimes gut. Das hat zur Folge, dass langsamere Grafikkarten ruhigere Frametimes aufweisen als schnellere – bis es dann, warum auch immer, mal wieder riesige Haker gibt. Die Frametimes sind in Crysis Remastered also vieles, aber nicht reproduzierbar.

Die Krone setzen der Technik am Ende die nicht eingehaltenen Ankündigungen auf: Dass es trotz verwirrender Ankündigung um die Vulkan-API nur DirectX 11 gibt und Nvidias DLSS doch nicht enthalten ist, passt nur zu gut ins Bild.

Mit Grafik-Presets gibt es etwas Linderung

„Can it run Crysis?“ sollte man als Grafik-Preset gar nicht erst ausprobieren. Es läuft auf keinem PC gut und sieht auch nicht besser aus. „Sehr hoch“ hat eine identische Grafikqualität zu bieten, die Unterschiede fallen selbst mit der Lupe in der Regel nicht auf. Die Performance steigt wiederum vor allem in den problematischen Szenen spürbar an, bleibt aber dennoch niedrig. „Hoch“ läuft dann nochmal etwas schneller, erst „Mittel“ bringt einen richtig großen Leistungsschub. Dann sieht Crysis Remastered aber auch nicht mehr besser als das Original aus.

Immerhin ist die Kantenglättung gelungen!

Zumindest bei der Kantenglättung gibt es Positives zu berichten, denn sie ist in Crysis Remastered nicht nur deutlich besser als im Original, sondern generell sehr gut. So bietet das Anti-Aliasing in der höchsten Einstellung „SMAA 2TX“ eine sehr hohe Bildruhe, was bei der vielen Vegetation auch notwendig ist. Umso ärgerlicher ist es, dass das Spiel nach jedem Neustart die Kantenglättung auf den sichtbar weniger ruhigen Modus „SMAA 1TX“ umschaltet. Teilweise wechselt es die Kantenglättung sogar schon unerwünscht beim Ändern einer anderen Grafik-Option.

Raytracing mit geringem Effekt

Crysis Remastered bietet herstellerunabhängiges Raytracing. Das bedeutet, dass auch Grafikkarten ohne spezielle RT-Kerne Raytracing nutzen können, egal ob diese von AMD oder Nvidia sind. Die Berechnungen werden in dem Fall auf den klassischen Shader-Einheiten durchgeführt. Das Spiel nutzt den Voxel-Ansatz der Cryengine.

Crysis Remastered kann aber auch mit den RT-Kernen einer GeForce-RTX-Grafikkarte umgehen. Da die genutzte DirectX-11-API diese nicht ansprechen kann, hat Crytek eine bis jetzt noch nicht gesehene Sonderlösung eingebaut, die Nvidias Schnittstelle VKRay (Raytracing über Vulkan) nutzt, was aber wirklich nur für den Raytracing-Teil gilt. Das Spiel selbst läuft auch auf einer GeForce-RTX-Grafikkarte weiter mit DirectX 11.

Abseits der Reflexionen sind die Unterschiede gering

Raytracing gibt es in den Qualitätsstufen „Performance“, „Hoch“, „Sehr hoch“ und „Can it run Crysis?“. Zusätzlich lässt sich die Strahlentechnik komplett abschalten. Meistens hat Raytracing in Crysis Remastered einen moderaten bis geringen Einfluss auf die Bildqualität und es macht sich eine leicht realistischere Schattendarstellung bemerkbar. Etwas größer fallen die Vorteile in Innenräumen aus, wo die Beleuchtung spürbar besser aussieht.

Einen deutlich größeren Effekt hat Raytracing auf die Reflexionen. Wasser jeglicher Art, sei es das Meer oder Pfützen, zeigen mit Raytracing deutlich mehr Details. So richtig fällt Raytracing aber nur in einem Level auf, das auf einem Flugzeugträger im Regen spielt und entsprechend zahlreiche Spiegelungen zeigt. Dann sehen die Effekte auch richtig hübsch aus, ansonsten sind sie ein kleiner Bonus. Je höher dabei die Qualitätsstufe gedreht wird, desto mehr Strahlen werden offenbar verschossen. Vor allem die Performance-Einstellung sieht sehr pixelig aus. Hinzu kommt, dass einige Spiegelungen erst mit höheren RT-Einstellungen dargestellt werden.

Wenn schöner auch schneller bedeutet

Wäre es nicht so traurig, könnte man darüber lachen: Passend zum sonstigen technischen Zustand von Crysis Remastered läuft in der Testszene Raytracing auf „Sehr hoch“ auf allen Grafikkarten langsamer als mit „Can it run Crysis?“ und damit der höchsten Einstellung. Das Spiel verhält sich nicht durchweg so, in anderen Szenen zeigt sich das Verhalten nicht.

Davon abgesehen fällt auf, dass die Performance-Einstellung kaum bis nur gering Geschwindigkeit gegenüber abgeschaltetem Raytracing kostet. Bei 4 bis 9 Prozent liegt der Leistungsverlust, was überraschend wenig ist. Dafür sind die Reflexionen aber auch nicht sonderlich schön. Der Modus „Hoch“ kostet dagegen deutlich mehr Leistung. Und es lassen sich zudem Unterschiede zwischen den Grafikkarten erkennen. So verliert die GeForce GTX 1080 gegenüber abgeschaltetem Raytracing 21 Prozent Performance, die Radeon RX Vega 64 23 Prozent und die Radeon RX 5700 XT 22 Prozent. Hier sind die GeForce-RTX-Grafikkarten mit den separaten RT-Einheiten klar im Vorteil. Die GeForce RTX 2070 Super wird nur um 14 Prozent langsamer, die GeForce RTX 3080 um 16 Prozent. Der Unterschied ist nicht massiv, aber doch vorhanden.

Raytracing in Crysis Remastered – 2.560 × 1.440
  • Nvidia GeForce GTX 1080:
    • RT Aus
      50,4
    • RT Performance
      48,1
    • RT Hoch
      39,9
    • RT Can it run Crysis
      36,2
    • RT Sehr Hoch
      30,4
  • Nvidia GeForce RTX 2070 Super:
    • RT Aus
      66,9
    • RT Performance
      64,0
    • RT Hoch
      57,2
    • RT Sehr Hoch
      50,5
    • RT Can it run Crysis
      49,8
  • Nvidia GeForce RTX 3080:
    • RT Aus
      117,3
    • RT Performance
      106,8
    • RT Hoch
      98,2
    • RT Can it run Crysis
      93,0
    • RT Sehr Hoch
      91,8
  • AMD Radeon RX Vega 64:
    • RT Aus
      45,1
    • RT Performance
      42,8
    • RT Hoch
      34,8
    • RT Can it run Crysis
      33,7
    • RT Sehr Hoch
      27,3
  • AMD Radeon RX 5700 XT:
    • RT Aus
      55,8
    • RT Performance
      53,7
    • RT Hoch
      43,3
    • RT Can it run Crysis
      41,1
    • RT Sehr Hoch
      33,1
Einheit: Bilder pro Sekunde (FPS)

„Can it run Crysis?“ schlägt nochmal etwas mehr zu als die Hoch-Einstellung. Auf der GeForce GTX 1080 kostet der Maximalmodus 28 Prozent an FPS, auf der Radeon RX Vega 64 sind es 25 Prozent und auf der Radeon RX 5700 XT 26 Prozent. Bei der GeForce RTX 2070 Super bringen die RT-Kerne dann aus unerklärlichen Gründen keine zusätzliche Leistung mehr, denn die Turing-Karte verliert mit 26 Prozent vergleichbar viel FPS wie die GeForce GTX 1080. Anders dagegen die GeForce RTX 3080, die mit minus 21 Prozent am besten abschneidet. Trotzdem lässt sich generell sagen, dass separate RT-Einheiten in Crysis Remastered Stand heute wenig Vorteile bringen.

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