Samsung Micro LED angeschaut: Diesen Fernseher muss man live gesehen haben

Nicolas La Rocco
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Samsung Micro LED angeschaut: Diesen Fernseher muss man live gesehen haben

Samsungs erster Micro-LED-TV soll im Oktober auf den Markt kommen. Die 8,3 Millionen individuell ansteuerbaren Pixel versprechen eine bislang unerreichte Bildqualität. In Frankfurt gab es einen der ersten Fernseher zu bestaunen. Das Bild kann teils bombastisch ausfallen, die Technologie ist aber noch jung und anfällig.

Marktstart im Oktober für 150.000 Euro

Nach einer Verzögerung von mehreren Monaten soll im Laufe des Oktobers endlich der Marktstart des ersten Micro-LED-Fernsehers mit 110 Zoll zum Preis von 149.999 Euro in Deutschland erfolgen. Im März hatte es in einer verschickten Pressemitteilung noch geheißen, die neuartigen Fernseher sollen im April auf den Markt kommen, doch auch im Juli fehlte noch jede Spur von den Geräten am Markt. Samsung beteuerte im Gespräch zwar, man habe ja eigentlich schon immer die „Mitte des Jahres“ genannt, wie es auch dem deutschen Newsroom des Unternehmens zu entnehmen ist. Der Oktober als neuer Termin will aber nicht mehr ganz in das ursprünglich anvisierte Zeitfenster passen.

99 Zoll folgen für 130.000 Euro

Aber genug von der Miesmacherei, denn schließlich soll mit der Micro-LED-Technologie ein vollkommen neues Kapitel aufgeschlagen werden, das eine bombastische Bildqualität verspricht, auf die sich das Warten doch potenziell lohnen sollte. Im ersten Schritt will Samsung im Oktober die Variante mit 110 Zoll (279,4 cm) für 149.999 Euro auf den Markt bringen, danach soll eine „kleinere“ Ausführung mit 99 Zoll (251,5 cm) folgen, die bei 129.999 Euro liegen wird. Einen konkreten Termin für dieses Modell gibt es aber noch nicht. Auf die kolportierten noch kleineren Versionen mit 88 und 77 Zoll angesprochen, gab man der Redaktion zu verstehen, dass damit nicht mehr dieses Jahr zu rechnen sei.

24.883.200 individuell ansteuerbare Subpixel

Die Micro-LED-Technologie, bei der winzige LEDs mit ihren drei Subpixeln für Rot, Grün und Blau direkt für die Darstellung des Bildes verantwortlich sind, sodass (wie bei OLED) kein Backlight mehr benötigt wird und jedes der 8.294.400 Pixel respektive 24.883.200 Subpixel zu seiner lokalen Dimming-Zone wird, bringt eine technische Herausforderung mit, die bei gleicher Auflösung kleinere statt größere Fernseher schwieriger zu fertigen macht. Die technische Hürde liegt in der Größe und im Abstand der Pixel, die bei kleineren Diagonalen unweigerlich enger zusammenrücken müssen.

Der Pixel-Pitch beträgt 0,63 mm

Im Samsung Showcase auf der Frankfurter Zeil hat das Unternehmen einen der weltweit ersten Micro-LED-Fernseher aufgehängt und führt diesen derzeit Presse und Handel vor, danach potenziell aber auch noch dem öffentlichen Publikum. Für die dort gezeigte Version mit 110 Zoll nennt der Hersteller jetzt erstmals offiziell einen Pixel-Pitch von 0,63 mm. Bei „The Wall“ in der Variante „Residence“ für Luxushäuser liegt der Pixel-Pitch derzeit mindestens bei 0,84 mm, im B2B-Segment für Bürogebäude, Messegelände oder Flughäfen sind es noch 1,63 mm. Beim „MICRO LED“, wie die Baureihe der Fernseher für Endverbraucher offiziell heißt, ist der Abstand somit noch ein gutes Stück geringer und soll in 99 Zoll weiter auf dann nur noch 0,58 mm reduziert werden.

Micro-LED-Fernseher besteht aus 192 Modulen

Die Micro-LED-Fernseher für Endkunden haben den Vorteil, dass sie am Zielort nicht mehr zusammengebaut werden müssen. Die einzelnen Module, aus denen letztlich das Panel besteht, müssen nicht mehr vor Ort von einem Experten zusammengesteckt werden. 16 × 12 Module besitzt das 110-Zoll-Modell, die wiederum in vier „Cabinets“ mit 8 × 6 Modulen unterteilt werden. Um diesen Aufbau steckt Samsung eine Zierleiste, die vom Design her an die der aktuellen Flaggschiffe der Neo-QLED-Baureihe erinnert.

Der Aufbau erfolgt zu viert

Mal eben bestellen, liefern lassen und selbst aufbauen ist aber auch in dieser kun­den­freund­lichen Ausführung nicht möglich. Das fängt schon beim wohlüberlegten Kauf an. Samsung will den Micro-LED-Fernseher voraussichtlich bei nur fünf bis sechs Händlern in Deutschland überhaupt ausstellen. Einer davon wird die Frankfurter Filiale der Hifi-Profis sein, ein lokaler Elektronikhändler auch hochpreisiger Komponenten mit Standorten in Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Mainz.

Anfang des Jahres wurde von Samsung noch angedacht, den Micro-LED-Fernseher gefaltet zum Kunden zu liefern. Von dieser Idee hat man sich zwischenzeitlich aber wieder verabschiedet, wie ComputerBase auf Nachfrage erfahren hat. Geplant war, den TV einmal vertikal in der Mitte verlaufend zu falten und dadurch auf zwei Rechtecke mit jeweils 72 Zoll zu reduzieren. Jetzt kommen die vollen 110 Zoll doch in einem Stück zum Kunden und sollten nach Empfehlung von Samsung zu viert aufgehängt oder auf den inkludierten Standfuß gestellt werden. Dieser liegt dem Fernseher bei, wurde bislang aber noch nie auf offiziellen Pressebildern gezeigt und konnte auch im Showcase nicht präsentiert werden. Mit speziellen Halterungen links und rechts am Micro-LED-Panel lässt sich dieses am Stück an seine finale Position tragen, bevor im letzten Schritt die seitlichen Dekorelemente aufgesteckt werden.

One Connect Box mit Lichtwellenleiter

Das Panel erhält das Bildsignal über einen Lichtwellenleiter von der One Connect Box, wie sie auch anderen Fernsehern von Samsung beiliegt, um unschönen Kabelsalat direkt am TV zu vermeiden. Beim Micro-LED-Fernseher gibt es allerdings noch ein zweites, separat verlaufendes Kabel für die Stromversorgung des Panels. Die One Connect Box mit ihrer ebenfalls eigenen Stromversorgung stellt dann alle weiteren Anschlüsse wie sechs Mal HDMI 2.1 und auch die Tuner sowie den Chipsatz zur Verfügung. Von der Benutzeroberfläche her gibt es beim Micro-LED-TV mit Tizen keinen Unterschied zu den normalen Fernsehern von Samsung. Als Besonderheit speziell dieses Modells lassen sich aber vier HDMI-Quellen auf einmal verteilt auf vier Full-HD-Rechtecke wiedergeben.

Vorne hui, hinten pfui

Im Showcase von Samsung hing der Micro-LED-Fernseher bestens ausgerichtet an einer eingezogenen Wand, die es elegant erlaubte, alle lästigen Kabel, obwohl es ja nur zwei vom Panel kommend sind, dahinter zu verstecken. Ein Blick dahinter offenbarte dann allerdings in bester Meme-Manier, wie es auf der Rückseite aussehen kann. Doch wer sich einen Fernseher für rund 150.000 Euro in die eigene Residenz stellen kann, wird auch passende Möglichkeiten finden, das Ganze stilvoll zu integrieren.

Groß, größer, 110 Zoll

Aufgebaut, angeschlossen und eingerichtet, kann man sich dann aber endlich der revolutionären Bildqualität hingeben, oder? Zunächst einmal ist es die schiere Größe von rund 2,8 m Diagonale, mit der der Micro-LED-Fernseher selbst das Neo-QLED-Flaggschiff QN900A mit 85 Zoll ziemlich alt aussehen lässt. Schade, dass Samsung den Micro-LED-TV nicht in einem normal großen Wohnzimmer aufgebaut hat, sondern im luftigen Showcase zeigt, der wie die Ausstellungsflächen von Media Markt und Co schnell jeden noch so großen Fernseher relativ klein wirken lässt. Aber 110 Zoll sind auch in dieser Umgebung noch wirklich sehr, sehr groß und imponieren.

Die Leuchtkraft in der Fläche ist enorm

Bei der Bildqualität ist es vor allem die Leuchtkraft, die immer wieder für Staunen sorgt. Der Fernseher strahlt den Betrachter regelrecht an, sodass man fast schon ein wenig die Augen zusammenkneifen muss, wenn besonders helle Szenen wiedergegeben werden. Nahe am Panel stehend merkt man zudem, dass es schnell ziemlich warm wird. Wie hell der Micro-LED-Fernseher wird, dazu macht Samsung (noch) keine Angaben. Mit Kolorimeter bewaffnet, konnte die Redaktion auf der Benutzeroberfläche aber einmal 1.400 cd/m² messen, die sich später bei einem HDR-Testvideo auf YouTube auch auf großer Weißfläche wiederholen ließen. Und genau das ist eben eine der Stärken der Micro-LED-Technologie: Dass es eben keine punktuellen Spitzenhelligkeiten mehr gibt, sondern dass das gesamte Panel auf Wunsch mit dem Maximum gefahren werden kann.

Darüber hinaus fällt das Farbvolumen im dreidimensionalen Raum über alle Grundfarben und Helligkeitsstufen hinweg sehr hoch aus. Ärgerlicherweise macht Samsung auch beim Micro-LED-Fernseher noch immer nur eine Angabe für den DCI-P3-Farbraum, die natürlich bei 100 Prozent liegt. Interessanter wäre der deutlich größere Farbraum der ITU-R-Empfehlung BT.2020 gewesen, in dem der Fernseher einer ersten subjektiven Einschätzung vor Ort ebenfalls gut abschneiden dürfte. Samsungs Demomaterial sieht natürlich stets besonders beeindruckend aus, doch auf einem QN900A lief ähnliches Material nicht mit der gleichen Brillanz über den Schirm.

Der Kontrast kann theoretisch perfekt sein

Das Kontrastverhältnis eines Micro-LED-Fernsehers müsste zumindest in der Theorie perfekt ausfallen. Denn schließlich kommen 24.883.200 individuell ansteuerbare Subpixel zum Einsatz, die in ihrer Helligkeit fein geregelt und auch vollständig abgeschaltet werden können, damit Schwarz wie bei OLED wirklich als tiefes Schwarz dargestellt werden kann. Fernseher mit Hintergrundbeleuchtung schaffen das selbst mit Mini-LED-Backlight nicht, da dieses nicht für jedes Pixel gesteuert werden kann.

Viel Schwarz macht die Module sichtbar

Beim Micro-LED-Fernseher von Samsung dürfen die zusammenhängend schwarzen Flächen allerdings nicht zu groß ausfallen, denn ansonsten löst sich die Immersion, die das sehr plastisch und fast schon dreidimensional wirkende Bild zuvor aufgebaut hat, schnell wieder in Luft auf. Ausgerechnet der Startbildschirm von Samsungs Demomaterial, das nur den weißen Schriftzug „MICRO LED“ auf schwarzem Hintergrund zeigt, offenbart eine doch eklatante Schwäche der Technologie: Die einzelnen Module sind ohne perfekte Ausrichtung sofort sichtbar, reflektieren das Licht des Raums in viele Richtungen und machen Schwarz dann doch wieder eher zu einem Dunkelgrau. Vor allem im hell ausgeleuchteten Showcase wird der Nachteil sichtbar. 16:9-Inhalte offenbaren das Manko eher selten, anders könnte es bei Filmen im Cinemascope-Format aussehen, wenn oben und unten ganze Modulreihen ausgeschaltet bleiben.

Die sichtbare Anordnung der Module zeigt, wie extrem präzise der Zusammenbau ab Werk durchgeführt werden muss. Weniger Module, weniger Cabinets und damit weniger Abweichungen müssen her, doch würde das die Fertigung noch komplizierter machen, als sie es ohnehin schon ist. Samsung müsste für den Fernseher mehr als 8 Millionen LED-Chips auf das PCB transferieren und bei nur 1 Prozent fehlerhafter Pixel müssten bereits mehr als 80.000 LEDs getauscht werden. Und defekte Pixel sind jetzt schon ein Problem, wie das Ausstellungsstück in Frankfurt in nicht geringer Anzahl zeigte. Zwar kann man für exakt diesen gezeigten Micro-LED-Fernseher nicht denselben Maßstab anlegen, wie er später für das kaufbare Produkt gilt, denn Samsung hat diesen bereits mehrfach auf Tour genommen, immer wieder auf- und abgebaut, transportiert und an immer wieder neuen Standorten gezeigt, was unweigerlich Schäden am Panel mit sich bringt. Doch die noch junge Technologie scheint empfindlicher und anfälliger zu sein.

Die Module können ausgetauscht werden

Kommt es beim Kunden zum Schaden, lassen sich einzelne Module durch Samsung austauschen. Dafür hält das Unternehmen Module aus derselben Fertigungscharge zurück, damit diese bei einem Defekt mit der gleichen Charakteristik ersetzt werden können, was bei einer späteren Produktionscharge potenziell nicht mehr gewährleistet werden kann. In den Micro-LED-TV eingesetzt, erfolgt daraufhin eine Kalibrierung.

Vorsicht bei der Pflege

Die einzelnen Pixel kann man übrigens nicht anfassen, wie ComputerBase nach Rücksprache und Freigabe durch Samsung direkt auf dem Panel erfühlen konnte. Eine hauchdünne Abdeckung verhindert, dass es sofort zu Schäden an den empfindlichen Komponenten kommt. Zur Pflege des Panels sagte Samsung, dass ein leicht mit Wasser angefeuchtetes Mikrofasertuch genutzt werden sollte. Wer seinen Fernseher eher mit Glasreiniger und Küchenrolle attackiert, ist hier eindeutig an der falschen Stelle.

4K auf 110 Zoll sind fast schon zu wenig

Und dann ist im letzten Punkt noch die Auflösung anzusprechen, die mit 4K fast schon ein wenig zu gering für 110 Zoll ausfällt, wenn man bedenkt, dass Samsung auch 8K auf 85 Zoll anbietet. Der Micro-LED-Fernseher trumpft mit einer brachialen Schärfe auf, die fast schon ein wenig über das Ziel hinausschießt, als würde man in einem Bildbearbeitungsprogramm den Schärferegler zu hoch stellen und daraufhin diesen typisch körnigen Look erhalten. Beim Micro-LED-Panel sind es aber die einzelnen Pixel, die im Vergleich zu 8K auf 85 Zoll viel größer bei 4K auf 110 Zoll ausfallen und eine leicht körnige Schärfe verursachen. Der Sitzabstand ist elementar entscheidend für den Qualitätseindruck und kann bei 110 Zoll logischerweise größer ausfallen. Im Showcase stand die Presse aber nur zwei bis drei Meter vor dem Panel und bekam so die Vor- und Nachteile deutlich eher zu sehen. Schwer vorzustellen, welchen Eindruck dieser gigantische Fernseher mit einigen Metern mehr Abstand zum Sofa hinterlassen würde.

Bilder werden Live-Eindruck nicht gerecht

Und genau das ist dann auch das erste Fazit zum Micro-LED-TV von Samsung: Diesen Fernseher muss man live gesehen haben. Die noch so schön aufbereiteten Renderings von Samsung oder eigene Fotos können die neuartige Technologie nur schwer vermitteln. Man muss sich schon selbst einen Eindruck davon verschaffen. Micro-LED-Fernseher haben unglaubliches Potenzial, aktuell ist es aber eben noch die allererste Generation, die es demnächst zu extremen Preisen auf den Markt schaffen wird. Einige der Vorteile sind schon jetzt deutlich zu erkennen, ein paar Nachteile aber ebenso.

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