Ich benutze Debian Testing auf meiner Workstation auf Arbeit, Debian Sid aufm Laptop zu Hause und Debian Stable und CentOS 7 auf Servern. Vereinzelt noch geerbte Altsysteme mit Ubuntu 14.04/16.04, die ich aktuell versuche loszuwerden, um nicht ganz so heterogen unterwegs zu sein (bloated nur meine Ansible Playbooks auf).
Zu Testing - ich finde es anstrengend für einen Desktop (und auf Server gehört das gar nicht). Fixes brauchen ewig um da anzukommen. Wie man so schön sagt - es ist einfach länger kaputt. Es rutscht ständig was Kaputtes aus Sid durch und dann wartest du ewig, bis mal ein Fix kommt. Letzten Freitag wollte ich mal wieder Updates auf Testing fahren (~1300 Pakete) und siehe da, apt-listbugs informiert mich über 14 offene Bugs. Dacht ich mir - hmmm nö. Aber an der Anzahl der zu updatenden Pakete erkennst du schon, dass ich es eine ganze Weile schon vor mir her schiebe und so sollte es einfach nicht sein.
Genau so wenig kannst du das System "blind" updaten. Ein Kollege von mir, der noch nicht ganz so fit ist, dem ich aber auch Testing übergeholfen habe (weil auf Stable sein WLAN-Adapter noch nicht unterstützt wurde vom Kernel), hat letzte Woche auch mal ein Update gefahren und auf einmal waren zahlreiche Python-Module verschwunden und darauf basierende Tools liefen erst mal nicht mehr. Alles kein Problem, Module wieder installiert und gut ist. Das Problem ist aber, dass du wirklich aufpassen musst wie ein Schießhund, was dir der Updater gerade deinstallieren will. Der zieht dir wegen einer ungünstigen Dependency-Konstellation auch gerne mal deine Gnome-Pakete vom System und für einen unerfahrenen User ist an diesem Punkt Feierabend bzw. eine Neuinstallation steht an.
Zu Sid - da habe ich selten Probleme und habe auch nicht so großen Sorge Updates zu installieren. Ich weiß, wenn wirklich was baden geht, bekomme ich normalerweise in relativ kurzer Zeit einen Fix. Aber auch hier gilt - nur für erfahrene Nutzer zu empfehlen. Die Wachsamkeit ist wie bei Testing geboten. Inwiefern man hier als unerfahrener Nutzer mit so was wie Siduction besser aufgehoben ist, weiß ich nicht. Da bin ich nicht so die Zielgruppe für.
Auch bei Sid gibt es Ausreißer. Da die Nutzerzahl, aus nachvollziehbaren Gründen, relativ gering ist, läufst du eher Gefahr mit deinem Problem ein Exot zu sein. Ggf. musst du dann wirklich selbst ein Ticket eintüten. Ich habe seit Dezember wpasupplicant auf hold, weil 2 offene Bugs dafür bestehen (dadurch geht kein WLAN mehr). Heute dachte ich mir, ich mach mir mal den Spaß und schaue, ob es wirklich kaputtgeht. Und ja - tut es wirklich.
Also auf einen Snapshot vom Dezember zurück gerollt und die Welt ist wieder in Ordnung. Aber über Monate hinweg Pakete halten ist nicht schön. Ist zum Glück das einzige, daher ist das noch überschaubar, aber wenn ich in Testing die 14 offenen Bugs sehe, vergeht mir alle Lust am Updaten.
Bevor ich mir ein CentOS als Desktop-System installieren würde, käme mir eher ein Fedora ins Haus. CentOS ist doch ein genau so abgehangener Schinken wie Debian Stable. Ist für mich als Desktop nicht zu ertragen, es sei denn ich mache mit dem System nichts außer ein bisschen in meiner kleinen heilen Eclipse-Welt rumklickern.
Bei einem Arch ist mir bereits der initiale Aufwand zu groß. Kann gut sein, dass das geringer wird, wenn man mal alles rund am Laufen hat. Sollte mein System aber mal voll gegen die Wand fahren (was zugegebenermaßen noch nicht vorkam), möchte ich das in max. einer Stunde wieder aufgesetzt haben. Aus dem Alter, wo man das zum Spaß an der Freude und zum Selbstzweck macht, bin ich raus. Deren Wiki ist aber ohne Frage top und ich zweifle auch gar nicht an, dass es eine gute Distribution ist, wenn man sich dafür die Zeit nehmen möchte. Du lernst auf jeden Fall sehr viel auf dem Weg.
Hinzu kommt noch, dass ich haufenweise Server betreue und mich deswegen gern auf einem Desktop-System bewege, das ich auch auf den Servern nutze. Geht dann einfach alles schneller von der Hand.
Solltest du dich für Debian entscheiden (was trotz der geschilderten Erfahrung mein Favorit bleibt), rate ich zu apt-listbugs und
diesen Ratschlägen.
Nachtrag: der TE wollte ja eigentlich auf etwas "Stabiles" hinaus. Man muss sich aber im Klaren sein, dass stable nicht deshalb stable heißt, weil es seltener abstürzt o.ä., sondern es ist deshalb stable, weil sich Paketversionen nicht essenziell verändern (wobei das logischerweise korreliert, denn wer nichts macht, macht nichts kaputt). Du bleibst also ewig auf altbackenen Versionen sitzen. Das ist anfangs (nach einem Stable-Release) völlig in Ordnung, wird aber kurz vor EOL immer unerträglicher. Aber auch hier hängt es natürlich sehr davon ab, was du mit dem System treibst.