Ehemaliger BND-Chef: „Facebook sammelt mehr Daten als der BND“

Andreas Frischholz
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Ehemaliger BND-Chef: „Facebook sammelt mehr Daten als der BND“
Bild: nolifebeforecoffee | CC BY 2.0

Der ehemalige BND-Präsident Gerhard Schindler geht in die Offensive. In einem Interview mit der Berliner Zeitung reduziert er den BND-Skandal auf „Ungereimtheiten“ und Massenüberwachung verortet er bei Internetdiensten wie Facebook, nicht aber bei den Geheimdiensten.

Demnach würden die Geheimdienste und insbesondere der Bundesnachrichtendienst (BND) grundsätzlich keine Massenüberwachung betreiben, die Operationen wären vielmehr auf einzelne Ziele ausgelegt. „Wenn ich dagegen wirtschaftliche Interessen habe, dann brauche ich Massenüberwachung – vor allem, um meine Produkte besser vermarkten zu können“, so Schindler. Daher hätte etwa auch Facebook auf jeden Fall ein deutlich größeres Datenvolumen als der BND.

Es ist die klassische Lesart der Geheimdienste, die Netzaktivisten massiv kritisieren. Denn im Prinzip bestreite niemand, dass Facebook mehr Daten sammelt als der BND, erklärt etwa Netzpolitik.org-Chef Markus Beckedahl in einem Blogbeitrag. Allerdings: „Dank des Prism-Programms hat die NSA direkten Zugriff auf dieses Datenvolumen von Facebook und damit indirekt auch wieder der BND als Partner der NSA.“ Alle Daten, die Internetdienste sammeln, stehen also indirekt auch den Geheimdiensten zur Verfügung.

BND-Skandal? Ungereimtheiten!

Auch die zahlreichen Skandale rund um den BND, die in den letzten Jahren enthüllt wurden, will Schindler nicht als Skandal einstufen. So habe es zwar Ungereimtheiten bei der Erfassung von Daten für die NSA im Standort Bad Aibling gegeben, die Probleme habe man mittlerweile aber beseitigt. „In jeder Großorganisation schleichen sich unzureichende Verfahren ein, die man erkennen und abstellen muss“, so Schindler in der Berliner Zeitung. Selbst die BND-Spionage gegen EU-Diplomaten bewertet er als Einzelfall.

Das widerspricht aber sowohl den Erkenntnissen aus dem NSA-Ausschuss als auch dem internen Bericht der Bundesdatenschutzbeauftragten. Dessen Fazit lautete: Obwohl die Datenschützer nur die Außenstelle des BND in Bad Aibling kontrollierten, wurden „schwerwiegende Rechtsverstöße“ festgestellt.

Snowden werde als Zeuge enttäuschen

Angesichts des aktuellen Streits um die Anhörung von Edward Snowden vor dem NSA-Ausschuss erklärte Schindler: „Wenn Snowden tatsächlich als Zeuge gehört werden sollte, wird man enttäuscht sein“, so Schindler. Der NSA-Whistleblower habe schlicht nicht lange genug im Bereich der technischen Aufklärung gearbeitet. Ohnehin ist er für Schindler ein Verräter, Snowden habe das Gesetz gebrochen, indem der die geheimen NSA-Dokumente enthüllt hatte.

Schindler war zwischen 2012 und 2016 Präsident des Bundesnachrichtendienstes. Im Sommer hatte ihn das Kanzleramt vorzeitig entlassen, als ausschlaggebender Grund gilt aber der BND-Skandal. Infolge der NSA-Enthüllungen wurde bekannt, dass der BND illegale Suchbegriffe von der NSA in die eigenen Überwachungssysteme eingespeist hatte, die sowohl auf deutsche als auch europäische Politiker und Firmen abzielten. Später wurde dann noch bekannt, dass der BND auch selbst verbündete Staaten ausspionierte.