Ylem
Rear Admiral
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Ab Mai 2011 soll das erste Mal seit 24 Jahren in Deutschland eine Volkszählung durchgeführt werden. Die Verordnung (EG) Nr. 763/2008 sieht eine EU-weite Zählung vor und wird in Deutschland durch das Zensusgesetz 2011 umgesetzt. Auf der letzten CCC-Konferenz Sigint wurde hierüber vorgetragen und daraufhin ein Arbeitskreis (als Unterarbeitskreis des AK Vorrat) gegründet. Im Wiki des Arbeitskreises wird ausführlich auf das Gesetz, die Organisation und die Durchführung der Volkszählung eingegangen.
Bei Spreeblick gabs gestern zur Volkszählung und dem Vorhaben einer Verfassungsbeschwerde einen guten Beitrag: Für den Zensus werden
Jeder zehnte Haushalt soll also ab Mai nächsten Jahres befragt werden; eine Verweigerung kann mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro bestraft werden.
Problematisch ist bei diesem Zensusgesetz, dass die Datensätze von Meldeämtern, Arbeitsagenturen und Behörden gesammelt und ohne jegliche Anonymisierung beim Bundesamt für Statistik zusammengeführt werden sollen. Für jeden Haushalt wird eine Ordnungsnummer vergeben und geführt. Inwieweit die geplante Volkszählung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (s. Volkszählungsurteil) verletzt, wird nun für eine eventuelle Verfassungsbeschwerde seitens des AK Zensus geprüft,
In Deutschland geht die Befragung außerdem um einiges weiter als von der EU vorgegeben: Es wird den Befragten angeboten, auch Glaubensbekenntnis und Migrationshintergrund anzugeben.
Wofür ein neuer Zensus dennoch gut sein soll, kann man hier nachlesen. Und hier die Hauptkritikpunkte des AK Zensus:
* Wir sehen ganz grundsätzlich die Gefahr, dass diese sensiblen und durch die Volkszählung zusammengeführten Daten (z.B. der Aufbau des neuen umfangreichen Adressenregisters aller Gebäude mit Wohnungen) nicht dauerhaft sicher sind vor Hacker-Angriffen, Diebstahl, Missbrauch und Datenverarbeitungsfehlern. Nur nicht erhobene Daten sind sichere Daten. Wie Spiros Simitis einmal treffend gesagt hat: “Demokratie zeichnet sich durch Informationsverzicht aus!”
* Das deutsche Zensusgesetz verlangt die Erhebung von mehr Daten, als von der EG-Richtlinie gefordert. So werden in den Stichprobenerhebungen auch Fragen nach Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund gestellt. Besonders markant sind die dabei nochmals die Fragen zum “Glaubensbekenntnis”, in denen insbesondere Menschen islamischen Glaubens weiter differenziert erfasst werden.
* Datenverarbeitungsrichtlinien sowie die IT-Infrastruktur sind unklar und nicht nachvollziehbar.
* Die sofortige Anonymisierung der erhobenen Daten scheint uns durch die Zuordnung von Daten und “Hilfsmerkmalen” (Hilfsmerkmale = persönliche Angaben wie Name und Anschrift) zu so genannten Ordnungsnummern (§13 ZensG) zweifelhaft. Die Zuordnung von Erhebungsdaten zu personenorientierten Ordnungsnummern wird im Volkszählungsurteil von 1983 explizit verurteilt.
* Die Praxis der räumlichen, organisatorischen und personellen Trennung der “Erhebungsstellen” von anderen Verwaltungsstellen (§10 ZensG) bleibt anzuzweifeln.
* Es ist nicht nachvollziehbar, wer bzw. welche Behörde auf die neue Datenbank in welchem Umfang zugreifen darf.
* Kritik an der bis zu vier Jahre andauernden Speicherfrist für die “Hilfsmerkmale”.
* Fehlende bzw. mangelhafte Anonymisierung in den so genannten “Sonderbereichen” (Haftanstalten, Krankenhäuser, Kliniken usw.)
* Erzeugung von Bedrohungsszenarien durch die festgeschriebene Auskunftspflicht (§18 ZensG) mit Androhung hoher Bußgelder
* Zweckentfremdung von Meldedaten, die im Rahmen der Datenzusammenführung für andere Zwecke als eigentlich erhoben, missbraucht werden.
* In letzterem Zusammenhang: Verletzung der negativen Bekenntnisfreiheit durch Weitergabe der Meldeamtsdaten zu Religionszugehörigkeit im Rahmen der Datenzusammenführung.
* Erlaubnis der Datenrückführung an Behörden und Ämter, auch in Einzelfällen.
* Fragliche Praktiken der Erhebungsbeauftragen (=Volkszähler), die beim Nichtantreffen der zu Befragenden auch die Erlaubnis haben, Familienangehörige, Minderjährige und Nachbarn zu befragen. Von den Volkszählern dürfen auch Informationen darüber erfasst und gespeichert werden, die von und über die Wohnung von außerhalb von öffentlich zugänglichen Plätzen und Räumen aus in Erfahrung zu bringen sind.
Außer der Erarbeitung einer Verfassungsbeschwerde ist auch eine Informations-Kampagne geplant –denn bisher scheint über das Zensusgesetz 2011 und dessen Durchführung noch nicht viel in der Öffentlichkeit angekommen zu sein.
Q
Es besteht Auskunftspflicht. Das ganze kostet den Steuerzahler ~700 Mio. €.
80.000 Frewillige dackeln zu den Haustüren und befragen knapp 8 Mio. Bürger und bekommen pro Bogen 7,50€.
Zusätzlich werden noch etwa 17,5 Millionen Verwalter oder Eigentümer von Wohnraum befragt.
Wo liegt das Problem?
Ein Viertel bis ein Drittel aller in Deutschland ansässigen Personen werden zu Zwangsbefragungen aufgesucht und müssen im Einzelfall “Erkundigungen” im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld dulden.
Sensible persönliche Daten werden aus zahlreichen Quellen ohne Ihre Einwilligung zusammengeführt. Die Daten von Meldeämtern und Behörden werden somit zweckentfremdet.
Die Zuordnung der zusammengetragenen Daten, also auch der Antworten aus den Fragebögen ist über eine jedem Einwohner und jeder Wohnadresse zugeordneten Nummer möglich. Eine eindeutige, gemeinsame Personenkennziffer hatte das Bundesverfassungsgericht 1983 ausdrücklich verboten.
Die Erhebung ist streng genommen nicht anonym, da Rückschlüsse auf Ihre Identität möglich sind, solange diese Daten existieren (bis zu vier bzw. sechs Jahre lang nach der Erfassung). Aus technischer Sicht betrachtet entsteht ein zentral verfügbares Personenprofil aller in Deutschland ansässigen Personen.
Die zentrale Verfügbarkeit der Personenprofile weckt Begehrlichkeiten.
Außerdem haben die Datenschutz-Skandale der vergangenen Jahre gezeigt, dass das Missbrauchspotenzial einmal angelegter Datensammlungen enorm ist.
Die Abfrage der Daten laut deutschem Zensus-Gesetz geht über den von der EU geforderten Umfang hinaus, z. B. das Merkmal der Religionszugehörigkeit und die (freiwillige) Frage zur Weltanschauung und zum Glaubensbekenntnis, die insbesondere muslimische Glaubensrichtungen besonders differenziert. So ließe sich zum Beispiel eine Liste von Muslimen in Deutschland erstellen, die ihre Religionszugehörigkeit angegeben haben.
Q (Gegenbewegung)
Berauschend finde ich das nicht. Zumal bereits letztes Jahr die Personen ausgesucht worden sind, welche erst kurz vorher informiert werden, damit sie sich nicht entziehen können.
Bei Spreeblick gabs gestern zur Volkszählung und dem Vorhaben einer Verfassungsbeschwerde einen guten Beitrag: Für den Zensus werden
.einerseits die Daten verschiedener öffentlicher Stellen zusammengeführt und miteinander verglichen. Davon wird auf der Straße nichts zu sehen sein. Die Bevölkerung bemerkt also nur den anderen Teil der Volkszählung – die stichprobenhafte Befragung von zehn Prozent aller Haushalte
Jeder zehnte Haushalt soll also ab Mai nächsten Jahres befragt werden; eine Verweigerung kann mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro bestraft werden.
Problematisch ist bei diesem Zensusgesetz, dass die Datensätze von Meldeämtern, Arbeitsagenturen und Behörden gesammelt und ohne jegliche Anonymisierung beim Bundesamt für Statistik zusammengeführt werden sollen. Für jeden Haushalt wird eine Ordnungsnummer vergeben und geführt. Inwieweit die geplante Volkszählung das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (s. Volkszählungsurteil) verletzt, wird nun für eine eventuelle Verfassungsbeschwerde seitens des AK Zensus geprüft,
denn eine umfassende Registrierung und Katalogisierung der Persönlichkeit durch die Zusammenführung einzelner Lebensdaten und Personaldaten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen der Bürger ist auch in der Anonymität statistischer Erhebungen unzulässig (BVerfGE 27, 1 [6]).
In Deutschland geht die Befragung außerdem um einiges weiter als von der EU vorgegeben: Es wird den Befragten angeboten, auch Glaubensbekenntnis und Migrationshintergrund anzugeben.
Wofür ein neuer Zensus dennoch gut sein soll, kann man hier nachlesen. Und hier die Hauptkritikpunkte des AK Zensus:
* Wir sehen ganz grundsätzlich die Gefahr, dass diese sensiblen und durch die Volkszählung zusammengeführten Daten (z.B. der Aufbau des neuen umfangreichen Adressenregisters aller Gebäude mit Wohnungen) nicht dauerhaft sicher sind vor Hacker-Angriffen, Diebstahl, Missbrauch und Datenverarbeitungsfehlern. Nur nicht erhobene Daten sind sichere Daten. Wie Spiros Simitis einmal treffend gesagt hat: “Demokratie zeichnet sich durch Informationsverzicht aus!”
* Das deutsche Zensusgesetz verlangt die Erhebung von mehr Daten, als von der EG-Richtlinie gefordert. So werden in den Stichprobenerhebungen auch Fragen nach Religionszugehörigkeit und Migrationshintergrund gestellt. Besonders markant sind die dabei nochmals die Fragen zum “Glaubensbekenntnis”, in denen insbesondere Menschen islamischen Glaubens weiter differenziert erfasst werden.
* Datenverarbeitungsrichtlinien sowie die IT-Infrastruktur sind unklar und nicht nachvollziehbar.
* Die sofortige Anonymisierung der erhobenen Daten scheint uns durch die Zuordnung von Daten und “Hilfsmerkmalen” (Hilfsmerkmale = persönliche Angaben wie Name und Anschrift) zu so genannten Ordnungsnummern (§13 ZensG) zweifelhaft. Die Zuordnung von Erhebungsdaten zu personenorientierten Ordnungsnummern wird im Volkszählungsurteil von 1983 explizit verurteilt.
* Die Praxis der räumlichen, organisatorischen und personellen Trennung der “Erhebungsstellen” von anderen Verwaltungsstellen (§10 ZensG) bleibt anzuzweifeln.
* Es ist nicht nachvollziehbar, wer bzw. welche Behörde auf die neue Datenbank in welchem Umfang zugreifen darf.
* Kritik an der bis zu vier Jahre andauernden Speicherfrist für die “Hilfsmerkmale”.
* Fehlende bzw. mangelhafte Anonymisierung in den so genannten “Sonderbereichen” (Haftanstalten, Krankenhäuser, Kliniken usw.)
* Erzeugung von Bedrohungsszenarien durch die festgeschriebene Auskunftspflicht (§18 ZensG) mit Androhung hoher Bußgelder
* Zweckentfremdung von Meldedaten, die im Rahmen der Datenzusammenführung für andere Zwecke als eigentlich erhoben, missbraucht werden.
* In letzterem Zusammenhang: Verletzung der negativen Bekenntnisfreiheit durch Weitergabe der Meldeamtsdaten zu Religionszugehörigkeit im Rahmen der Datenzusammenführung.
* Erlaubnis der Datenrückführung an Behörden und Ämter, auch in Einzelfällen.
* Fragliche Praktiken der Erhebungsbeauftragen (=Volkszähler), die beim Nichtantreffen der zu Befragenden auch die Erlaubnis haben, Familienangehörige, Minderjährige und Nachbarn zu befragen. Von den Volkszählern dürfen auch Informationen darüber erfasst und gespeichert werden, die von und über die Wohnung von außerhalb von öffentlich zugänglichen Plätzen und Räumen aus in Erfahrung zu bringen sind.
Außer der Erarbeitung einer Verfassungsbeschwerde ist auch eine Informations-Kampagne geplant –denn bisher scheint über das Zensusgesetz 2011 und dessen Durchführung noch nicht viel in der Öffentlichkeit angekommen zu sein.
Q
Es besteht Auskunftspflicht. Das ganze kostet den Steuerzahler ~700 Mio. €.
80.000 Frewillige dackeln zu den Haustüren und befragen knapp 8 Mio. Bürger und bekommen pro Bogen 7,50€.
Zusätzlich werden noch etwa 17,5 Millionen Verwalter oder Eigentümer von Wohnraum befragt.
Wer seine Auskunftspflicht nicht erfüllt, muss ein so genanntes Zwangsgeld zahlen. Es könne ab 200 Euro, bei Großeigentümern auch ab 7000 Euro betragen.
Freikaufen kann man sich nicht, die Auskunftspflicht bleibt. Wer sich dennoch weigert, dem droht außerdem ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro.
Es gibt allerdings eine Frage, die nicht alle Teilnehmer beantworten müssen: die Frage zur Religion. Wer zu einer öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaft gehört (zum Beispiel Katholische oder Evangelische Kirche) muss das angeben – wer keiner solchen Gemeinschaft angehört, wie etwa ein Muslim oder ein Buddhist, muss das nicht offenlegen.
Wo liegt das Problem?
Ein Viertel bis ein Drittel aller in Deutschland ansässigen Personen werden zu Zwangsbefragungen aufgesucht und müssen im Einzelfall “Erkundigungen” im familiären und nachbarschaftlichen Umfeld dulden.
Sensible persönliche Daten werden aus zahlreichen Quellen ohne Ihre Einwilligung zusammengeführt. Die Daten von Meldeämtern und Behörden werden somit zweckentfremdet.
Die Zuordnung der zusammengetragenen Daten, also auch der Antworten aus den Fragebögen ist über eine jedem Einwohner und jeder Wohnadresse zugeordneten Nummer möglich. Eine eindeutige, gemeinsame Personenkennziffer hatte das Bundesverfassungsgericht 1983 ausdrücklich verboten.
Die Erhebung ist streng genommen nicht anonym, da Rückschlüsse auf Ihre Identität möglich sind, solange diese Daten existieren (bis zu vier bzw. sechs Jahre lang nach der Erfassung). Aus technischer Sicht betrachtet entsteht ein zentral verfügbares Personenprofil aller in Deutschland ansässigen Personen.
Die zentrale Verfügbarkeit der Personenprofile weckt Begehrlichkeiten.
Außerdem haben die Datenschutz-Skandale der vergangenen Jahre gezeigt, dass das Missbrauchspotenzial einmal angelegter Datensammlungen enorm ist.
Die Abfrage der Daten laut deutschem Zensus-Gesetz geht über den von der EU geforderten Umfang hinaus, z. B. das Merkmal der Religionszugehörigkeit und die (freiwillige) Frage zur Weltanschauung und zum Glaubensbekenntnis, die insbesondere muslimische Glaubensrichtungen besonders differenziert. So ließe sich zum Beispiel eine Liste von Muslimen in Deutschland erstellen, die ihre Religionszugehörigkeit angegeben haben.
Q (Gegenbewegung)
Berauschend finde ich das nicht. Zumal bereits letztes Jahr die Personen ausgesucht worden sind, welche erst kurz vorher informiert werden, damit sie sich nicht entziehen können.